Krebsvorsorge – Was kann ich alles tun?

I: (Musik #00:00:05-8#) Herzlich willkommen zu Von Achtsam bis Zuckerfrei, dem Gesundheitspodcast der Audi BKK. In diesem widmen wir uns einer Vielzahl an Themen, die Körper und Geist betreffen. Ich weiß es noch wie gestern, als eine gute Freundin in der Woche ihres dreißigsten Geburtstages die Diagnose für Brustkrebs bekommen hat. Die Schockstarre, in die ich gefallen bin, und der Unglauben, der mich die Tage danach nicht losgelassen hat, von ihr ganz zu schweigen. Sie ist zum Glück immer zur Vorsorge gegangen, und so wurde die Erkrankung früh genug festgestellt. Doch das geht nicht allen Menschen so. Jährlich sterben über 200.000 Menschen in Deutschland an Krebs. Für uns eindeutig ein Grund, sich mit dem Thema Krebsvorsorge zu befassen und der Früherkennung. Wie effektiv ist sie und wer sollte sie wann vornehmen? Ich freue mich sehr, zu dem Thema Professor Dr. Florian Lordick zu interviewen. Er ist Direktor der Onkologie, Gastroenterologie, Hepatologie und Pneumologie des Universitätsklinikums in Leipzig. Guten Tag, hallo, schön, dass Sie hier sind, Herr Professor Dr. Lordick.

B: Hallo Frau Brühl.

I: Es ist schön, mit Ihnen über dieses Thema zu reden, mit dem wir uns wahrscheinlich alle freiwillig gar nicht so gerne beschäftigen, weil es ja immer eine Angst mitschwingen lässt. Was sind die häufigsten Krebserkrankungen? Warum haben wir so viel Angst oder Respekt vor dem Thema?

B: Der Respekt ist gerechtfertigt, wenn man bedenkt, dass Krebs eine ausgesprochen häufige Erkrankung und Diagnose ist. Vorab nüchterne Zahlen, es gibt pro Jahr in Deutschland eine halbe Million Neudiagnosen an Krebs, also 500.000 ist die Zahl. Insofern ist es ein relevantes Thema. Man kann es auch von der anderen Seite betrachten. Ungefähr die Hälfte der Menschen, die derzeit in Deutschland leben, haben früher oder später in ihrem Leben mit einer Krebsdiagnose zu tun. Das sind, wenn man es genau sagt, nach den aktuellen Zahlen 43 Prozent der Frauen und 51 Prozent der Männer. Kein Wunder, dass wir uns damit befassen. Es ist ein sehr relevantes Thema für unsere Gesundheit und für unsere Gesellschaft. Sie haben gefragt, welches die häufigsten Diagnosen sind, das wird stets geupdatet. Wir haben eine sehr gute Krebsregistrierung in Deutschland. Wir wissen sehr genau Bescheid. Das unterscheidet sich ein Stück weit zwischen Frauen und Männern. Wir haben bei Frauen mit Abstand an Nummer eins als häufigste Diagnose die Diagnose Brustkrebs. Das wird gefolgt von Darmkrebs, Lungenkrebs, dem bösartigen Hautkrebs und dem Gebärmutterkrebs. Bei Männern ist die Situation naturgemäß etwas anders. Hier ist die mit Abstand häufigste Erkrankung der Prostatakrebs, gefolgt vom Lungenkrebs, Darmkrebs, Krebs der Harnblase und dem bösartigen Hautkrebs. Ich habe jetzt bewusst nur die fünf häufigsten pro Geschlecht genannt. Es gibt sehr viele unterschiedliche Diagnosen, die eine absteigende Häufigkeit haben.

I: Das glaube ich. Der Körper kann sich in jede Richtung entwickeln. Da gibt es viel mehr Bereiche, die betroffen sein können. Aber das sind auf jeden Fall die, wo man sein Hauptaugenmerk darauf haben kann, dass die einen am wahrscheinlichsten ereilen.

B: Ja, das gilt zumindest mal für die, die wir Normalbevölkerung nennen, für diejenigen, die ein gesundes Leben haben, die keine Vorerkrankungen haben oder Krebsfälle in der Familie. Da sind das die häufigsten Erkrankungen. Je nachdem, was man mitbringt, an Risiken können andere Dinge im Vordergrund stehen. Für Menschen, die exzessiv viel rauchen, schieben sich plötzlich andere Erkrankungen ganz nach oben. Da steigt das Risiko für Lungenkrebs enorm oder das Risiko für Mundbodenkrebs oder Speiseröhrenkrebs steigt enorm. Es hängt immer von der persönlichen Verhaltensweise, aber auch von der Vorgeschichte ab.

I: Aber da ist das Gute, dass in der Regel die Ärzte das mit einem durchgehen und man dadurch individuell schaut, welche Vorsorgeuntersuchungen wichtig sind.

B: Ja, ich hoffe, dass das so geschieht. Es ist eine der wesentlichen Aufgaben von Hausärzten, von Familienärzten, Menschen, die bei ihnen in Betreuung sind, auf das Risiko von Krebs, aber auch auf die Möglichkeit von Vorsorge und Früherkennungsuntersuchungen hinzuweisen. Das hoffe ich wirklich, dass das sehr regelmäßig geschieht. Menschen, die wegen bestimmter Erkrankungen in fachlicher Betreuung sind, wo vielleicht bestimmte Risiken im Vordergrund stehen, auch die sollten von ihren betreuenden Ärzten darauf aufmerksam gemacht werden. Ich würde mich freuen, wenn das Thema nicht so tabuisiert wird und die Menschen das komplett von sich wegschieben, sondern wenn einfach eine gesunde Selbstverantwortung vorhanden ist und man sich ein Stück weit selber informiert über die öffentlichen Medien, über zugängliches Material, ebenfalls über das, was Krankenkassen einem zur Verfügung stellen.

I: Dafür sind wir heute da, damit man die eigene Verantwortung wahrnimmt und weiß, worüber man sich Gedanken machen kann. Sie sprachen die Früherkennung an. Man hört manchmal, Person XY ist an Krebs erkrankt und ist in Stadium XY. Wie ist das, wie wichtig ist es, Krebs früh zu erkennen? Was sagen diese Stadien aus?

B: Das ist schon wichtig, dass man Krebs früh erkennt. Es gibt einzelne Früherkennungsuntersuchungen oder Vorsorgeuntersuchungen, wo es nicht darum geht, einen Krebs früh zu erkennen, sondern eine Vorstufe zu entfernen, dass kein Krebs entstehen kann. Ein gutes Beispiel dafür ist die Vorsorge von Gebärmutterhalskrebs, wo man Frühformen, Entwicklungsstufen zu Krebs erkennen kann, durch einen sehr kleinen Eingriff entfernen kann, sodass Krebs gar nicht entsteht. Oder bei der Darmkrebsvorsorge, die durch eine Darmspiegelung durchgeführt wird. Da kann man Vorstufen von Krebs entfernen. Dann entsteht Krebs erst gar nicht, das ist das Allerbeste, was wir erreichen können. Das Zweitbeste, was wir erreichen können, ist, dass wir Krebs frühzeitig erkennen, wenn er in einem sogenannten frühen Stadium vorliegt. Sie haben das gerade genannt. Was ist das mit den Stadien? Nach internationaler Konvention wird jede Krankheit, jede Krebserkrankung in Stadien eingeteilt. Normalerweise sind es vier Stadien. Stadium eins ist ein frühes Stadium, wenn die Erkrankung klein ist oder auf einen kleinen Teil des Organs beschränkt ist, das betroffen ist. Das Stadium vier normalerweise eines, wenn sich die Erkrankung über den gesamten Körper ausgebreitet hat. Es ist nicht schwer vorstellbar, dass es für den Betroffenen oder die Betroffene viel günstiger ist, ein sehr frühes Stadium zu erkennen, weil man dann normalerweise mit einem sehr geringen Aufwand, zum Beispiel einer kleinen Operation, die vielleicht das Organ komplett in Ruhe lässt und erhält, den Krebs heilen kann. Während bei den weiter fortgeschrittenen Stadien werden die Methoden, die man braucht, um den Krebs zu heilen, immer aufwendiger. Man benötigt große Operationen oder man benötigt Strahlentherapie noch zusätzlich oder Chemotherapie zusätzlich. Oder man kommt gar nicht mehr in den Punkt, dass die Erkrankung geheilt werden kann und man kann Maßnahmen ergreifen, dass die Erkrankung vielleicht eine Weile unter Kontrolle bleibt. Wir wünschen uns alle, dass, wenn Krebs auftritt, dass wir dann mit einem möglichst geringen Aufwand eine Heilung erreichen können. Das ist der Grund, warum wir Vorsorge und Früherkennung, also Früherkennung in einem frühen Stadium, so stark empfehlen.

I: Das klingt einleuchtend. Welche Vorsorgeempfehlungen im Speziellen, es gibt wahrscheinlich unglaublich viele, aber gibt es welche, die Sie als besonders wichtig erachten?

B: Im Grunde ist es einfach. Wir haben einen Katalog von gesetzlich empfohlenen Vorsorgeuntersuchungen. Es gibt ein gesetzliches Früherkennungsprogramm. Das ist in Deutschland auf fachlicher Grundlage entschieden worden, ist verankert im Sozialgesetzbuch. Diese Früherkennungsuntersuchungen stehen jedem gesetzlich versicherten Menschen zur Verfügung. Das sind Vorsorgeuntersuchungen oder Früherkennungsuntersuchungen, die sich auf fünf häufige Erkrankungen beziehen, nämlich den Brustkrebs, den Gebärmutterhalskrebs, den Darmkrebs, das Prostatakarzinom und den Hautkrebs. Für diese Erkrankungen, die ich zuvor unter den häufigen genannt habe, sind Früherkennungsuntersuchungen empfohlen. Da gibt es festgelegte Kriterien, ab welchem Alter Menschen zu ihrem Hausarzt, Hausärztin oder zu einem Facharzt gehen sollten, um diese Untersuchungen durchzuführen. Die möchte ich jetzt nicht so im Einzelnen nennen, denn das wird schnell verwirrend, was ab dem zwanzigsten Lebensjahr, was ab dem dreißigsten Lebensjahr empfohlen wird, aber es ist sehr genau festgelegt. Jeder kann das über Informationen, die die Krankenkasse zur Verfügung stellt oder die Hausärztin, der Hausarzt zur Verfügung stellen, genau einsehen, was in welchem Alter empfohlen ist und für sich eine informierte Entscheidung treffen, ob man dieses Angebot wahrnehmen möchte oder ob man es aus persönlichen Gründen nicht wahrnehmen möchte.

I: Ja, das stimmt. Ein Hinweis an die Hörerinnen und Hörer. Wir haben eine neue Website, die wir überarbeitet haben, wo ihr sehen könnt, welche Vorsorgeuntersuchungen ihr wann wahrnehmen könnt. Die findet ihr in den Shownotes. Schaut einmal vorbei. Zurück zu Ihnen, Herr Professor Lordick. Wenn man sich informiert hat und einem die Untersuchungen bekannt sind, wie kann es sein, dass viele Menschen trotzdem diese Untersuchung nicht wahrnehmen? Sie meinten, es steht einem frei, es nicht zu tun, warum machen so viele Menschen das nicht?

B: Das ist eine sehr komplexe Frage. Ich habe keine einfache Antwort darauf. Bestimmt ist es so, dass das, was ich am Anfang genannt habe, die Hälfte der Menschen hat früher oder später im Leben mit Krebs zu tun. Das ist ein Fakt, den man gerne verdrängt für viele Jahre und sagt, das ist eine häufige Erkrankung, aber mich wird es hoffentlich nicht betreffen. Jede medizinische Untersuchung, die damit enden könnte, dass man eine schwierige Verdachtsdiagnose erhält, löst ein Stück Angst und Abwehr aus. Das sind viele psychologische Faktoren, die mit hineinspielen, dass Menschen sagen: „Da denke ich jetzt nicht daran.“ Oder: „Ich mache es irgendwann einmal, aber nicht in diesem Jahr.“ Ich finde es gut, dass jeder Mensch sich selber entscheiden kann, welche Gesundheitsmaßnahmen er oder sie ergreifen möchte und welche nicht. Stellen Sie sich vor, wir hätten das verpflichtend und wir würden zwangsweise zu einem Arzt geschickt. So soll es nicht sein. Aber ich finde es gut, dass Sie diesen Podcast mit mir aufnehmen, damit ein Bewusstsein darüber entstehen kann, wie sinnvoll es ist. Die Untersuchungen, über die wir sprechen, sind recht einfache Untersuchungen. Die sind nicht zeitaufwändig, die sind nicht schmerzhaft, die sind nicht besonders risikobehaftet. Vielleicht haben davor manchmal die Menschen Angst, dass das mit großen Risiken einhergeht und sehr, sehr unangenehm ist. Da möchte ich aus ärztlicher Perspektive sagen, diese Angst möchte ich nehmen. Wir sind uns mittlerweile in der Medizin sehr sicher, dass der Nutzen den Aufwand überwiegt und dass es einem Menschen ein gutes Gefühl geben kann, zu sagen: „Ich habe im Großen und Ganzen meine gesundheitliche Entwicklung im Griff. Ich habe das getan für mich oder für diejenigen, die mich lieben oder für die ich verantwortlich bin, dass meine Gesundheit erhalten bleibt.“

I: Da haben Sie Recht. Ich wollte Sie noch fragen, wie man die Menschen motivieren kann. Aber wir haben bereits einige Gründe genannt. Einerseits, dass man gut informiert ist, sich darüber bewusst ist, wie häufig es vorkommt, also dass man leider wahrscheinlich selber betroffen sein wird und dass man vor den Vorsorgeuntersuchungen keine Angst haben muss, dass die harmlos sind. Würden Sie sagen, das sind genug Gründe oder fällt Ihnen noch ein guter ein?

B: Das sind genug Gründe und wir sind in einer Zeit, in der ein Gesundheitsbewusstsein eine Rolle spielt. Viele Menschen, die ich kenne, die machen regelmäßig Sport, gehen zum Trainieren, versuchen, sich vernünftig zu ernähren. Aus meiner Sicht ist das etwas, was zu dem Gesamtpaket dazugehören kann. Mich persönlich motiviert es, wenn man sein Leben plant. Was möchte man tun, was möchte man erreichen? Es gibt einem ein gutes Gefühl, wenn man sieht, ich habe vorgesorgt, ich habe die Risiken, die mir im Leben drohen, zumindest was die Krebserkrankungen betrifft, im Blick und versäume hier nichts.

I: Hat auf jeden Fall etwas von einer gewissen Selbstwirksamkeit, die einem gut tut. Sie sprachen gerade an, dass die Menschen heutzutage gesünder leben und wir das gut im Blick haben, Sport zu machen und so weiter. Welche Rolle spielt zum Beispiel unsere Ernährung und Bewegung dabei, Krebs überhaupt erst mal zu verhindern? Hat das einen Einfluss?

B: Ja, das ist ein wichtiger Punkt. Da sind wir nicht mehr bei dem Thema der Früherkennung, sondern da sind wir bei dem Thema, das wir Prävention nennen. Wie kann ich verhindern, Krebs zu bekommen? Ganz im Griff haben wir das nie. Krebs kann am Ende jeden Menschen treffen, aber wir können bestimmte Risiken minimieren. Was wir mittlerweile sehr genau wissen, gerade in einer Gesellschaft, die wir manchmal eine Wohlstandsgesellschaft nennen, ist, dass die Kontrolle des eigenen Körpergewichts ein wichtiger Punkt ist. Da gehört Bewegung dazu und da gehört eine vernünftige, eine ausgewogene Ernährung dazu. Da können wir in Details gehen, was ist besonders schlecht? Was sollte man wenig zu sich nehmen oder was sollte man mehr zu sich nehmen? Am Ende sage ich, wie ich mich ernähre, das ist meine eigene Sache, da möchte ich mir im Detail nicht hineinreden lassen. Wichtig ist, sich regelmäßig zu bewegen. Was ist regelmäßig? Dass man zumindest zwei, drei Mal pro Woche Sport macht für 45 Minuten, 60 Minuten und dass man sich ausgewogen ernährt und damit Übergewicht vermeidet. Wir wissen, dass das einen positiven Effekt auf das Auftreten vieler möglicher Krebserkrankungen hat.

I: Das kann ich mir gut vorstellen. Bewegung und auch die Ernährung sind im Grunde für alles wichtig. Es gibt keine Folge diesem Podcast, wo ich nicht höre, dass Ernährung und Bewegung wichtig sind.

B: Da haben Sie völlig recht, Frau Brühl. Das ist nicht nur etwas, was das Krebsrisiko vermindert, sondern was auch das Risiko für Stoffwechselerkrankungen wie Zuckerkrankheit, Diabetes Mellitus vermindert und die Chancen erhöht, dass man nicht einen Herzinfarkt oder einen Schlaganfall erleidet. Insofern macht man damit nichts falsch.

I: Sie meinten eben, dass Sie bei der Ernährung nicht ins Detail gehen wollen, aber haben Sie den einen oder anderen Tipp für uns. Was könnten wir zu uns nehmen oder was sollten wir vermeiden, um ideal dem Krebs vorzubeugen?

B: Es gibt ein paar Dinge, wo man sagen soll, davon weniger. Da wäre in allererster Linie der Alkohol zu nennen, aber auch zuckerreiche Ernährung sollten wir versuchen zu vermeiden. Das ist mittlerweile klar, dass gezuckerte Speisen, gezuckerte Getränke ein erhöhtes Risiko für Krebserkrankungen darstellen, insbesondere, wenn es in frühen Jahren, Kindheit, Jugend losgeht. Dann ist so ein Stück weit in Diskussion, prozessiertes Fleisch, Wurstwaren, Schinkenwaren, rotes Fleisch ist im Verdacht. Das ist ein Stück weit richtig, das sollten wir mit Zurückhaltung zu uns nehmen. Man muss aber die Kirche im Dorf lassen. Das individuelle Risiko pro Person, wenn ich einmal gerne eine Wurstsemmel esse, wird nicht gleich in die Höhe gehen. Von der positiven Seite betrachtet, was sollten wir besonders viel tun? Wir sollten uns faserreich ernähren. Da gehört Gemüse dazu, da gehört Obst dazu. Fisch mit seinen ungesättigten Fettsäuren ist eine gesunde Mahlzeit. Weißes Fleisch ist gesund, zum Beispiel Hühnerfleisch. Das ist zusammengefasst unter dem Motto mediterrane Ernährung, gemüsereich, obstreich, fischreich, Olivenöle, faserreich. Das ist das, was wir als gesunde Ernährung mit Blick auf Krebsprävention ansehen.

I: Ich hatte bereits einen kurzen Schwenk zur Prävention gemacht, aber wollte abschließend bei der Vorsorge wissen, ob Sie über diese empfohlenen Untersuchungen hinaus empfehlen, dass man selber etwas von Anfang an machen lässt? Sagen Sie, wenn ein Verdacht besteht, dann würde ein Arzt dazu raten oder man würde das dann bezahlt bekommen, dass man mehr Untersuchungen vornehmen lässt?

B: Das ist eine wichtige Frage. Über die gesetzlich empfohlenen Vorsorgeuntersuchungen hinaus empfehle ich dem Normalmenschen keine weiteren medizinischen Untersuchungen. Wir sind im Moment am Begründen von Lungenvorsorgeuntersuchungen für Menschen, die viel geraucht haben. Das hatte ich bereits angesprochen, dass bestimmte Verhaltensweisen zur Steigerung von bestimmten Risiken führen können. Zum Beispiel für Menschen, die in einer Zeit ihres Lebens sehr stark geraucht haben, wird sich in Zukunft die Lungenkarzinomvorsorge anbieten. Dann gibt es spezifische Risiken, Vorerkrankungen. Wenn zum Beispiel ein Mensch eine chronisch entzündliche Darmerkrankung hat, steigt das Risiko für Darmkrebs. Dann wird man hier speziell, und das muss mit der Fachärztin oder dem Facharzt besprochen werden, deutlich früher entsprechende Vorsorgeuntersuchungen ergreifen. Oder wenn in der Familie besondere Krebsrisiken stecken, wenn Vater, Mutter, Geschwister schon bestimmte Erkrankungen erlebt haben oder wenn womöglich sogar bestimmte Krebsgene in der Familie verankert sind, die das Risiko für Brustkrebs oder Eierstockkrebs nach oben treiben. Da sprechen wir von speziellen Situationen, die speziell beraten werden sollten, von Hausärzten, Fachärzten.

I: Sie haben spezielle Risikogruppen angesprochen. Da habe ich vernommen, dass man als Raucher aufgrund von Lungenkrebs und auch anderen dadurch bedingten Krebsarten achtgeben muss und dass man, wenn man zum Beispiel Vorerkrankungen in der Familie hat, dazu zählt. Ist das erst einmal das, wo Sie sagen, das beschreibt das Ganze gut oder fallen Ihnen Risikogruppen ein, die auf dem Schirm haben sollten, häufiger zur Vorsorge zu gehen?

B: Das sind die beiden entscheidenden und häufig auftretenden Risikokonstellationen. Das Rauchen sollte ohnehin jeder oder jede Person, die Raucherin ist, versuchen einzustellen. Das ist die ungesündeste Verhaltensweise, die wir an den Tag legen können. Die Risikokonstellation Krebs in der Familie sollte man im Blick haben und man sollte diese Konstellation mit der Hausärztin oder dem Familienarzt besprechen und sollte, wenn da bestimmte Konstellationen erkennbar sind, eine entsprechende humangenetische Untersuchung veranlassen, damit man hier stark erhöhte Risiken womöglich nicht verkennt.

I: Was ist die humangenetische Untersuchung?

B: Es gibt bestimmte krebsdisponierende Gene. Bekannt geworden ist das sogenannte BRCA-Gen, das einer Mutation unterworfen sein kann. Trägerinnen oder Träger dieses BRCA-Gens haben ein deutlich erhöhtes Risiko insbesondere für Brustkrebs, aber auch für Eierstockkrebs bei den Frauen, bei den Männern für Prostatakrebs. Das lässt sich untersuchen durch eine humangenetische Untersuchung. Die empfehlen wir nicht jedem Menschen in der Bevölkerung. Aber in Familien, in denen häufig diese Krebserkrankungen auftauchen, werden die Menschen identifiziert, die Trägerinnen oder Träger dieses Gens sein können. Die können durch einen humangenetischen Facharzt durch eine Blutuntersuchung entsprechend diagnostiziert und beraten werden.

I: Vielen Dank. Wenn ich zur Vorsorge eine letzte Frage stelle, fällt mir ein, als ich jünger war, war das Thema Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs ein Riesenthema. Da habe ich mich gefragt, gibt es oft die Möglichkeit, gegen eine mögliche Krebserkrankung zu impfen oder etwas anderes vorher zu tun?

B: Ich bin froh, dass Sie das Thema Impfung ansprechen. Denn neben den Verhaltensweisen, wie, dass man sich regelmäßig bewegt und dass man sich ausgewogen ernährt, ist das Thema Impfung eines der interessantesten und wirksamsten, um zumindest das Risiko für Gebärmutterhalskrebs dramatisch signifikant zu senken. Um das noch einmal zu wiederholen, die Impfung gegen das humane Papilloma-Virus oder HPV genannt, sollte in einem Alter erfolgen, und zwar bei Mädchen und bei Jungen, bevor Geschlechtsverkehr einsetzt. Im Regelfall wird es heutzutage empfohlen vor dem 14. Lebensjahr. Das kann bereits früher durchgeführt werden, ab dem neunten Lebensjahr. Da sind wir in einem hochwirksamen Bereich, denn die HPV-Viren, die sich im Gebärmutterhals, aber auch in anderen Körperregionen einsiedeln können, zum Beispiel der Mundhöhle, können Krebserkrankungen verursachen. Wenn man dagegen geimpft ist, werden diese Viren nicht wirksam, können die Entzündung in den Organen nicht hervorgerufen werden. Von daher ist die Impfung tatsächlich krebsrisikomindernd. Ein Stück weit gilt das ebenfalls für die Hepatitis-B-Impfung. Das Hepatitis-B-Virus kann Leberentzündungen hervorrufen, auf deren Basis Leberkrebs entstehen kann. Das ist eine interessante Impfung, die zum Beispiel Angehörige des Gesundheitswesens, die besonders hohe Risiken haben, sich mit dem Hepatitis-B-Virus infizieren, regelmäßig durchführen sollen. Für die Normalbevölkerung ist es im Moment eine der freiwilligen Impfungen, die interessant sein kann. Aber Hepatitis-B-Virus ist bei uns nicht mehr so häufig, wie es früher war, einfach aufgrund anderer hygienischer und Verhaltensbedingungen. Es ist viel häufiger in anderen Regionen der Welt. Aber Sie haben gefragt, gibt es noch andere Impfungen, dann sollte man Hepatitis B nennen als eine, die man durchführen kann.

I: Auf jeden Fall. Danke für die Informationen zu den Impfungen. Wir haben über Impfungen geredet, gesunde Ernährung, rauchen. Da fällt mir noch ein Thema ein, was die meisten Menschen doch irgendwie umtreibt, der Alkohol. Wie wirkt sich Alkohol auf das Krebsrisiko aus?

B: Das ist ein wichtiges Thema. Intensiver starker Alkoholkonsum ist ein wichtiger Treiber von Krebserkrankungen. Das Genussglas Wein, was man alle paar Wochen oder alle paar Tage zu einem Abendessen genießt, ist nicht Krebs auslösend, nach allem, was wir wissen, oder ein Bierchen nach dem Feierabendsport. In großen Mengen ist Alkohol sehr gefährlich und für viele Organe sehr gefährlich, erhöht die Risiken für Leberkrebs, die Risiken für Bauchspeicheldrüsenkrebs, Risiken für Speiseröhren- oder Mundhöhlenkrebs. Da muss man ehrlich zu sich selber sein. Wenn man den Verdacht hat, dass man zu viel trinkt, jeder sollte ehrlich zu sich sein, muss etwas unternommen werden. Denn die Risiken, dass man daran erkrankt, dass man an Krebs erkrankt, sind enorm hoch.

I: Da haben wir im Podcast mehrmals darüber geredet, dass die Folgen von zu viel Alkoholkonsum vielfältig sind und man das gut im Blick haben sollte. Ich würde gern wissen, ob es andere Möglichkeiten gibt, wo ich sage, das hat einen großen Einfluss auf ein Krebsrisiko, Umweltfaktoren oder eine Verhaltensweise. Gibt es da etwas, wo Sie sagen, das habe ich außen vorgelassen, bei allem, was ich Sie bisher gefragt habe?

B: Was ich an der Stelle nennen möchte, ist der Sonnenschutz. Das ist eine wichtige Sache. Sie haben mitbekommen, dass ich den Hautkrebs sowohl bei Männern als auch bei Frauen unter den mittlerweile häufigsten Krebserkrankungen genannt habe. Wir wissen, dass das Risiko für Hautkrebs deutlich angestiegen ist. Das hat wahrscheinlich mit mehreren Faktoren zu tun. Das hat damit zu tun, dass wir uns in Deutschland viel draußen bewegen. Wir machen draußen Sport, wir sonnen uns, wir sind gerne draußen, was grundsätzlich gut ist, bewegen uns gerne draußen, aber die Sonneneinstrahlung ist sehr stark geworden. Oft wird vergessen, dass man von Sonne beschienene Körperpartien entweder abdeckt, indem man ein T-Shirt trägt oder ein Cappy auf den Kopf setzt und damit die Kopfhaut schützt, und vor allem, dass man Sonnencremes mit hohem Lichtschutzfaktor verwendet. Es ist wichtig, auch schon für die Kinder. Es hören bestimmt Mütter, Väter zu, die darauf achten sollten, dass ihre Kinder nicht zu früh zu intensiv und ungeschützt Sonnenlicht ausgesetzt werden, denn diese Schäden, die die UV-Strahlung in der Haut verursachen kann, die können früh einsetzen. Wenn Kinder, Jugendliche häufig Sonnenbrände haben, steigt das Risiko, dass sie bereits in jungem Erwachsenenalter oder später eine Hautkrebserkrankung entwickeln. Darum ist es eine wichtige Maßnahme, über die ich froh bin, dass wir darüber gesprochen haben.

I: Als eher blasse Person mit vielen Sommersprossen kann ich das verstehen und nehme meinen Hautschutz sehr ernst. Ich kann verstehen, dass das etwas ist, woran man viele Menschen erinnern sollte, wenn ich mich in meinem Umfeld umschaue.

B: Sie haben richtigerweise gesagt, blasse Personen mit vielen Muttermalen sind vielleicht besonders gefährdet, aber gefährdet ist jeder. Es gibt bösartigen Hautkrebs auch auf dem afrikanischen Kontinent. Das zeigt Ihnen, das Spektrum ist groß und es hängt nicht nur vom Hauttyp ab.

I: Das ist eine sehr gute Erinnerung. Um positiv aus dem Podcast zu gehen, würde ich gerne wissen, was tut sich aktuell in der Krebsvorsorge oder in der Prävention? Die Vorsorge ist die Prävention, ich meine die Früherkennung und die Prävention. Gibt es neue Screening-Methoden oder etwas, wo Sie sagen, das ist ganz fantastisch, das macht Mut?

B: Mir macht vieles Mut in der Krebsmedizin. Das ist so, denn wir haben über die letzten Jahrzehnte gesehen, dass wir häufiger Krebserkrankungen heilen können als früher. Dieser große Schrecken, den Krebserkrankungen, die Diagnose mit sich bringen, kann ich nachvollziehen, weil es eine ernsthafte Erkrankung ist, die große Schäden anrichten kann. Wir haben die gute Nachricht, dass wir häufiger die Diagnose Krebs heilen können. Es hat damit zu tun, dass Menschen mehr Bewusstsein entwickeln dafür, wie soll ich mich verhalten oder ich soll zum Arzt gehen, wenn Verdacht besteht. Im günstigsten Falle: ich nehme die Krebsfrüherkennungsuntersuchung wahr. Das ist etwas Positives. Zweitens, die Methoden, mit denen wir Krebs, wenn er früh diagnostiziert wird, behandeln können, die werden immer besser. Wir brauchen nicht immer wahnsinnig großen Operationen, sondern da ist die Medizin viel detaillierter geworden. Die frühe Diagnose eines Krebses können wir oft mit vernünftigem Aufwand und sehr guten Ergebnissen zur Ausheilung bringen. Auch das ist positiv. Das Dritte, was Sie angesprochen haben, da blicke ich in die Zukunft, werden wir besser darin werden, Krebs früh zu erkennen. Denn wir haben mehr differenzierte genetische Methoden, zum Teil Messungen, die im Blut durchgeführt werden können, die sich entwickeln und die uns möglicherweise in Zukunft verlässlich frühzeitig anzeigen können, wenn sich, sage ich vorsichtig, irgendetwas entwickelt. Wir sind in der Forschung noch davon entfernt. Wir sind noch nicht so, dass das angeboten werden kann oder dass man mehr Geld zahlt und es kommt eine Probe aus Amerika zurück und die sagt einem das dann. Da warne ich davor. Aber wir sind in der Entwicklung solcher Tests, die verlässlicher werden. Das könnte eine Perspektive sein, dass wir breiter in der Bevölkerung sagen können: „Bei Ihnen ist das Risiko höher oder bei Ihnen ist das Risiko geringer.“, und sehr individualisierte Vorsorge- und Früherkennungspläne entwickeln können. Aber da befinden wir uns noch in der Forschung. Das ist das, woran wir arbeiten.

I: Das war das Interview mit Herrn Professor Lordick. Wenn ihr nun motiviert seid, öfter zur Vorsorge zu gehen und die wichtigen Untersuchungen wahrzunehmen, hilft euch der Link in den Shownotes. Dieser enthält Infomaterialien und zeigt auf, was für Versicherte der Audi BKK als Vorsorgeleistung inklusive ist. Auch wenn das Thema heute kein leichtes war, hoffe ich, dass ihr etwas für euch mitnehmen konntet und sei es nur die Erinnerung, regelmäßig zur Vorsorge zu gehen. Wenn ihr möchtet, dass die Leute, die euch am Herzen liegen, regelmäßig daran denken, leitet die Folge einfach weiter. Vielleicht nimmt der eine oder andere hier noch etwas Neues mit. Ansonsten heißt es in einem Monat wieder: es ist Zeit für Von Achtsam bis Zuckerfrei, dem Gesundheitspodcast der Audi BKK. (Musik #00:32:40-0#)