Ilka Brühl: Herzlich willkommen zu von achtsam bis zuckerfrei, dem Gesundheitspodcast der Audi BKK. In diesem widmen wir uns einer Vielzahl an Themen, die Körper und Geist betreffen. Unser heutiges Thema liegt mir aufgrund meiner eigenen Geschichte sehr am Herzen. Mit einer Lippenspalte geboren, habe ich als Kind oft an mir gezweifelt, obwohl meine Eltern mich sehr unterstützt haben. Deshalb finde ich es so spannend, was man machen kann, damit Kinder mit einem gesunden Selbstbewusstsein aufwachsen. Gerade in einer Zeit, in der schon früh viel Druck auf Kindern lastet. Sie sollen gute Schulnoten haben, sich benehmen, gut aussehen und können sich fantastisch über Social Media mit anderen vergleichen. Weil dieses Thema so wichtig ist, haben wir schon unsere erste Staffel über Selbstliebe gemacht und die zweite hat sich mit dem Thema Cybermobbing beschäftigt. Deshalb geht es in der heutigen Folge darum, wie wir Kinder stärken und resilienter machen können und dafür haben wir gleich zwei Gäste. Zum einen die Psychologin Sophie Lauenroth, die ihr schon aus dem Podcast kennt. Und dann auch noch die Sozialpädagogin Julia Cammann, als Aylahni bekannt.
Sophie: Hallo.
Julia: Hallo.
Ilka: Hallo ihr beiden. Wir sind nicht nur alle drei Mütter, sondern wir haben auch ein berufliches Interesse daran, dass Menschen zufrieden sind und da fängt man doch am besten bei den Kindern an. Wir haben eine Reihe von bunten Themen vorbereitet und fangen einfach direkt an. Warum ist denn Resilienz so wichtig für Kinder? Ich meine, wir wissen alle, Kinder müssen toben, Kinder müssen sich auspowern, das ist uns klar, sie müssen diverse andere Sachen am besten mitbringen. Aber Resilienz für Kinder habe ich jetzt aus meiner Kindheit nicht unbedingt gehört. Warum ist das trotzdem so wichtig?
Sophie: Für alle, die gar nicht wissen, was Resilienz bedeutet, Resilienz ist praktisch die psychische Widerstandskraft. Diese hilft Menschen, als auch Kindern, denn Kinder sind auch Menschen, mit Stress, Misserfolgen und Herausforderungen im Leben besser umzugehen. Das wiederum stärkt die langfristige emotionale und psychische Gesundheit. Resilienz bedeutet also, wenn wir unseren Kindern beibringen und ihnen zeigen, wie man mit Herausforderungen umgeht, dass sie in Zukunft auch besser Rückschläge überwinden können und daran wachsen können. Das kann natürlich in allen Lebensbereichen super hilfreich sein.
Julia: Das stimmt, ob das jetzt beim Eintritt in die Schule ist, das ist der zweite große Umbruch, nach dem Kindergarten. Da ist es natürlich sinnvoll, wenn man so ein Sicherheitspolster in sich drin hat, dass einem Kraft und Stärke gibt, um auch mit solchen großen Veränderungen klarzukommen. Natürlich brauchen so kleine Kinder trotzdem noch die Eltern, die ihnen dabei helfen. Nur wenn sie dann zum Beispiel in der neuen Klasse sind oder in der neuen Gruppe vom Kindergarten, dann ist es natürlich sehr hilfreich, wenn sie schon ein Stück weit Resilienz in sich tragen.
Ilka: Ja, auf jeden Fall. Du sprichst da, glaube ich, schon einen riesen Sorgenpunkt von Eltern an, wie geht es meinem Kind im Kindergarten, in der Schule? Habe ich da überhaupt noch einen Einfluss drauf? Weil das meiste passiert leider außerhalb meiner Reichweite.
Julia: Ja, das ist ein kompliziertes Thema, das muss man, denke ich, ein bisschen differenzierter betrachten. Es ist natürlich sehr wichtig, was im Elternhaus passiert, was wir unseren Kindern mitgeben und was für ein Sicherheitsnetz und Sicherheitsgefühl sie von zu Hause bekommen. Nur, wie du schon sagst, wenn die dann im Kindergarten oder in der Schule sind, dann sind wir in dem Moment nicht da. Dann hängt das ganz viel mit den Bezugspersonen in diesen Einrichtungen zusammen. Im Kindergarten ist es halt wichtig, dass die Kinder dann eine gute Bindung zu der Bezugsbetreuung haben. Das ist natürlich jetzt nicht immer in jeder Einrichtung der Fall, wegen des Personalmangel, vielen häufigen Personalwechsel und so weiter. Da könnte es tatsächlich schwierig werden. In der Schule ist es dann tatsächlich auch viel davon abhängig, wie nett oder feinfühlig der Lehrer oder die Lehrerin ist und das hat natürlich auch wieder was mit Glück zu tun. Da haben wir dann natürlich nicht den Mega Einfluss. Selbst wenn es jetzt in der Schule oder im Kindergarten nicht so ideal läuft, können wir trotzdem etwas zu Hause noch auffangen. Wir können dem Kind ganz viel Sicherheit und Geborgenheit geben, indem wir dann zu Hause ganz sichere Bindungsangebote machen.
Sophie: Das finde ich auch super wichtig, dass man zu Hause dieses Auffangnetz praktisch darstellt, wenn es jetzt zum Beispiel zum Thema Mobbing kommt. Das Kind weiß, dass es sich an seine Eltern wenden kann und da Trost suchen. Es weiß, dass es ernst genommen wird und ihm zugehört wird. Eventuell können die Eltern sogar vielleicht auch mit den Lehrern sprechen oder den Schülern, die da involviert sind. Das ist super wichtig, dass man da als Eltern einfach für das Kind da ist. Zusätzlich kann man natürlich auch das soziale Verhalten vom Kind durch verschiedene Methoden stärken. Die Kinder schauen sich super viel ab, wie die Eltern sich verhalten, in Bezug auf andere Menschen und da kann man selber einfach auch drauf achten. Wie spreche ich mit anderen Menschen, spreche ich mit denen respektvoll, höre ich denen zu, spreche ich da rein? Wenn man da ein gutes Vorbild ist, dann kann man natürlich auch die sozialen Fähigkeiten vom Kind sehr gut fördern.
Julia: Da sprichst du etwas Wichtiges an, dass die Kinder sich auch sicher fühlen, dass, wenn sie Probleme außerhalb haben, dass sie wissen, ich kann aber zu meinen Eltern und mit ihnen reden. Die werden sich da nicht über mich lustig machen, die werden mir meine Gefühle nicht absprechen, sondern ich werde dort ernst genommen und die helfen mir dann auch. Sie lassen mich nicht allein. Das ist, glaube ich, ganz wichtig, dass Kinder sowas auch wissen.
Ilka: Wie schafft man das denn, wenn man diesen Spagat hinbekommen will? Ich möchte, dass mein Kind mir vertraut, aber natürlich finde ich auch nicht alles gut, was mein Kind macht. Ich stelle mir das gar nicht so einfach vor. Vielleicht urteilt man dann manchmal nicht, weil man befürchtet, dass das Kind sich beim nächsten Mal einem nicht mehr anvertraut. Wie gehe ich damit um, dass mein Kind ein gutes Vertrauen zu mir aufbaut?
Sophie: Ich finde das ganz wichtig, dass man lernt, Dinge objektiv und nicht wertend zu betrachten, egal, wer jetzt auf dich zukommt. Wir Menschen wollen immer gleich unsere Meinung dazu geben und werten das, was gesagt wurde. Das kann man sich aber auch abtrainieren. Wenn man erst mal zuhört und das einordnet und vielleicht nicht immer aus der Eltern-Perspektive betrachtet, sondern aus einer Beobachterperspektive. Dann kann das auch gut helfen, da ein paar leichtere Worte zu finden und nicht gleich so wertend zu werden.
Julia: Ja, das sehe ich ganz genauso. Hier ist ein hilfreiches Gedankenexperiment. Stellen wir uns vor, wir haben etwas Blödes angestellt, fühlen uns deswegen schon schlecht und haben vielleicht Probleme mit anderen bekommen. Jetzt wollen wir das unserem Partner, Partnerin erzählen. Wie wünschen wir uns, dass die reagieren? Sollte der Partner oder die Partnerin jetzt uns die Schuld geben, dann hätte man keine Lust, der Person etwas zu erzählen. Deswegen überlege ich mir, wie ich es mir jetzt wünschen würde, wie die Person reagiert. Die sollte einfühlsam sein, Verständnis zeigen und fragen, was genau passiert ist. Die kann fragen, wie man selbst sich jetzt dabei fühlt und wie man helfen kann, um die Situation zu verbessern. Dann fühle ich mich sicher, dann habe ich auch Lust, der Person etwas darüber zu erzählen. Genauso können wir dann auch mit unserem Kind sprechen, natürlich altersangemessen, aber von der Grundstimmung her.
Sophie: Wir rutschen, glaube ich, oft immer in dieses wertende oder gleich davon auszugehen, dass das wieder passiert wird und so weiter. Mir ist es letztens aufgefallen. Ich habe ein Bett bestellt, weil ich bald umziehe und wollte meine Eltern fragen, ob wir das mit dem Umzug so hinbekommen und ob das da hereinpasst. Das war die eigentliche Frage. Aber dann antworteten die direkt, dass das Bett doch viel zu groß ist und warum wir so ein großes Bett brauchen. Das war aber nicht die Frage und da sieht man einfach, wie automatisch das schon passiert.
Ilka: Wie ist das, wenn ich finde, dass das Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein von meinem Kind nicht so hoch ist, das zweifelt noch ein bisschen an sich. Das hat gar nicht den Glauben an sich, den ich total gerne in meinem Kind sehen würde. Wie kann ich es dazu bringen? Soll ich mir professionelle Hilfe holen? Kann ich selbst da etwas machen?
Julia: Das kommt immer darauf an. Ich denke, das muss man vielschichtig betrachten. Zum einen, das kann man erst einmal an sich selbst anschauen, habe ich vielleicht selbst kein so gutes stabiles Selbstwertgefühl. Wie rede ich mit mir selbst? Weil das schauen Kinder sich auch ab. Wenn ich jetzt ein Missgeschick habe und dann sage, dass man dumm sei oder das peinlich war. Das Kind wird sich das annehmen, wenn man so mit sich spricht und das vielleicht auch noch dem Kind vermittelt durch Worte oder nonverbale Kommunikation. Das ist immer dieser Spruch von Jesper Julia: "Kinder machen nicht, was wir sagen, sondern das, was wir tun." Die schauen sich das allermeiste von unserem eigenen Verhalten und dem Umgang mit uns selbst und anderen Menschen ab und da können wir erst einmal hinschauen. Dann können wir auch noch schauen, wie reagieren wir denn, wenn das Kind etwas gemacht hat? Das Thema hatten wir gerade schon. Sind wir da sehr bewertend, oder wie reden wir da mit unserem Kind? Wie reden wir über andere Menschen? Das alles zusammen können wir anschauen, wie wir da handeln, wie die allgemeine familiäre Situation ist und daraus kann man schon viele Rückschlüsse ziehen. Es gibt natürlich auch Kinder, die sensibler sind und da ist eben wichtig, denen viele Gelegenheiten zu geben, in denen sie Erfolgserlebnisse haben. Man sollte die wirklich positiv bestärken und loben, wenn sie sich angestrengt oder bemüht haben, wirklich nette und gutmütige Sachen einfach sagen.
Sophie: Da kann ich einfach nur zustimmen. Vielleicht, was auch noch helfen kann, wenn die Kinder zu diesen Selbstzweifeln neigen, ist eine gute Methode aus der Psychotherapie. Man fordert dem gegenüber auf, Gegenbeweise zu finden. Wenn das Kind jetzt sagt, es sei total dumm und es hat wieder etwas nicht geschafft, dann könnte man mit dem Kind im Gespräch versuchen, Beweise gegen diese Aussage zu finden. Aber etwas anderes hat es geschafft oder bei etwas anderem war es gut und da hat es doch eine gute Note geschrieben. Deswegen ist das Kind nicht dumm und da wird das Kind zustimmen. Das wären ein paar Beispiele. Es funktioniert bei Erwachsenen auch super, dass man einfach wieder mal aus diesen Selbstzweifeln herauskommt und sich die Realität vor Augen führt. Wie du schon gesagt hast, es ist auch in Ordnung Fehler zu machen und sich selbst auch vor allem nicht für Fehler verurteilt. Das ist auch ein ganz wichtiger Punkt.
Ilka: Ja. Kann ich mir richtig vorstellen, dass bei diesen Methoden später das Kind an sich glaubt und das vorgelebt bekommt. Ich glaube wirklich, das meiste ist dieses unbewusste Aufschnappen, dass das Kind denkt, die Mutter redet auch immer so mit sich. Das kann ich mir wirklich gut vorstellen. Von daher tut man sich da gleich einen doppelten Gefallen, wenn man netter mit sich selbst redet. Erstens, weil man netter mit sich selbst redet und auch weil das Kind es gleich positiv aufschnappt.
Julia: Ich habe einmal über so eine Impact-Technologie aus der Psychotherapie gelesen. Das war auch ganz cool, wenn jetzt einer sagt, er wäre nichts wert, er wäre nutzlos und so weiter. Dann kann man einen 50-Euro-Schein nehmen und sagen, dass der 50 Euro Wert ist. Dann zerknittert man den, trampelt darauf herum und fragt dann noch einmal, wie viel der Wert ist. Immer noch 50 Euro. Das ändert nichts an deinem Wert, wenn man dich gemein behandelt. Das sagt viel mehr über die andere Person aus, das hat nichts mit deinem Wert zu tun.
Sophie: Ja, finde ich ein schönes Beispiel.
Ilka: Cool, kannte ich auch noch nicht, aber kann ich mir vorstellen, dass es gerade für Kinder auch richtig gut ist, sehr bildlich eben. Aber wenn du schon darüber redest, dass Leute auf dem Kind herumtrampeln. Wenn man den Verdacht hat, dass das eigene Kind gemobbt wird oder so, wie würdet ihr da vorgehen?
Sophie: Ich kann da aus eigenen Erfahrungen sprechen. Ich wurde viele Jahre in der Schule gemobbt und ich habe zu Hause meistens nicht die erhoffte Reaktion von meinen Eltern erfahren. Deswegen kann ich ganz gut sagen, was ich mir gewünscht hätte. Ich hätte mir gewünscht, dass einem zugehört wird, dass man ernst genommen wird und auch so diese Beispiele mit diesem Selbstwert finde ich ganz wichtig. Weil man als Kind noch nicht versteht, dass der Selbstwert nicht von dem Verhalten, den Reaktionen oder dem Gesagten von anderen abhängt. Sondern man bestimmt selbst, wie viel man Wert ist, wie man sich fühlt und wie man über sich denkt. Ich glaube, das hätte mir geholfen, solche Beispiele, solche schönen Veranschaulichungen, um das besser zu verinnerlichen. Aber auch, dass meine Eltern mich ernster nehmen und auch was dagegen unternehmen. Sie hätten sich vielleicht mit den Eltern dieser Kinder, die da die Übeltäter sind, zusammensetzen können für ein ernstes Gespräch. Ich glaube, wenn man da direkt am Anfang ansetzt und sagt, dass das nicht in Ordnung ist, dann verstehen die Kinder das gleich. Dann kann man da noch vieles retten. Wenn man erst mal in dieser Opferrolle drinnen ist, der Außenseiter in der Schule ist und sich das schon monatelang hinzieht, finde ich das ganz schwer, da wieder herauszukommen. Ich glaube, hätte ich damals in der Schule anders reagiert nach zwei Jahren, die ich schon gemobbt wurde. Das hätte nicht mehr groß etwas geändert, weil ich hatte einfach schon den Stempel auf dem Kopf und da muss ich damit leben. Deswegen ist es ganz wichtig, wirklich da am Anfang direkt anzusetzen.
Julia: Vor allem, dass wirklich alle Lehrer und Eltern zusammenarbeiten. Ich hatte das auch einmal in einem einzigen Schuljahr. Es ging eigentlich nur von einem aus, die anderen haben da nicht so wirklich et was gemacht und ich hatte trotzdem noch meine Freunde, auch außerhalb und in der Klasse. Das war jetzt nicht so schlimm, aber es war schon nicht nett. Da weiß ich gar nicht mehr, ob meine Eltern das überhaupt wussten. Die Lehrer müssten es eigentlich schon so teilweise mitbekommen haben. Hätten jetzt die Lehrer, Eltern und alle wirklich sich den einmal vorgenommen oder alle gemeinsam ein Gespräch gesucht oder so, dann wäre das ziemlich schnell gegessen gewesen. Jetzt zumindest in diesem Fall. Wie gesagt, es ging bei mir jetzt nicht so lange, das ist eben noch schlimmer, wenn es jetzt über Jahre geht und sich dann so richtig stark verfestigt. Aber ich denke wirklich, da dürfen Lehrer nicht wegschauen. Wir hatten das nämlich auch in der fünften Klasse, da wurde einer so richtig stark gemobbt. Ich habe immer noch versucht, ihn zu beschützen, aber irgendwann bin ich so selbst schon fast in das Kreuzfeuer geraten. Dann hatte ich auch Angst und das hat alles nichts gebracht. Die Lehrer waren komplett überfordert. Deswegen wurde einmal eine Stunde etwas darüber geredet, aber die Lehrerin war komplett überfordert, das haben wir schon in der fünften Klasse gemerkt. Ich denke, da wäre es wichtig, die Lehrkräfte auch dementsprechend zu schulen. Oder zumindest, dass hier eine Fachperson in der Schule ist, die sich dann wirklich intensiv darum kümmert. Dafür sollte dann auch meinetwegen ein paar Unterrichtsstunden geopfert werden, dass das direkt im Keim erstickt wird. Es geht einfach gar nicht, dass da ein Kind das Leid tragen muss und die anderen Kinder haben wahrscheinlich auch Probleme, weshalb sie sich überhaupt so verhalten. Da sollte dann auch außerschulisch sehr intensiv daran gearbeitet werden.
Sophie: Deswegen Appell an alle Eltern, die zuhören. Es gibt fast in jedem Bundesland bestimmt mindestens ein Mobbing Präventionstrainer, die auch an die Schulen direkt gehen und mit den Kindern arbeiten. Erstmal, dass man nicht mobben soll und wie man mit Mobbing umgeht und die können auch die Lehrer und Lehrerinnen coachen, was sie da in ihrer Position machen können. Meine Schwester macht das zum Beispiel an Schulen und sie hat super gutes Feedback erhalten. Die Schulen haben gesagt, dass die das nächstes Jahr wieder machen werden, mit allen Klassen, denn das macht den Kindern Spaß. Die Eltern wissen dann, was sie machen können und die Lehrer wissen, was sie sagen können und wie sie sich verhalten, wenn es wirklich zu Mobbing kommt. Das ist wirklich eine gute Sache und das wird auch gefördert. Die Schulen müssten das theoretisch nicht einmal selbst aus eigener Tasche bezahlen, da kann man Anträge stellen, damit solche Kurse gefördert werden. Als Eltern kann man sich natürlich auch einsetzen, zur Schulleitung gehen und sagen, dass es da so einen Kurs gibt und wer den macht. Das würde allen guttun.
Ilka: Gute Hinweise, auf jeden Fall. Ich kann auch noch einmal sagen, dass wir 2021 eine ganze Staffel zum Thema Cybermobbing gemacht haben, hört da auch gerne rein. Es geht zwar theoretisch um Cybermobbing, aber natürlich sind die ganzen Systeme, die hinter Mobbing stehen, die gleichen. Von daher hört unbedingt rein, wenn ihr das Gefühlt habt, euer Kind könnte da Hilfe gebrauchen. Was ich auch oft aus Erzählungen kenne, wenn man das Kind fragt, wie es in der Schule war, das Kind nur mit gut antwortet. Wie kann ich mein Kind animieren, dass es mir mehr erzählt?
Julia: Die meisten Kinder, aber auch Erwachsene haben nicht so Lust darauf, wenn man interviewt und ausgefragt wird. Stellt man sich vor, man kommt heim und wird direkt mit Fragen bombardiert, dann möchte man auch erst in Ruhe gelassen werden. Deswegen ist es besser, eine entspannte Atmosphäre zu schaffen. Wenn alle gemeinsam beim Abendessen sitzen, können die Eltern anfangen von ihrem Tag zu erzählen. Was an dem Tag passiert ist, was einen gefreut oder geärgert hat. Meistens stimmen dann die Kinder mit ein, die erzählen dann von sich aus, was so passiert ist. Wir haben vielleicht nicht immer Lust darauf, aber oft entsteht eben so ein normales, lockeres Gespräch und da fühlt sich dann keiner interviewt oder ausgequetscht. Sondern jeder trägt etwas zu der Kommunikation bei und erzählt etwas von sich. So funktioniert es eigentlich am besten.
Sophie: Ja, das kann ich bestätigen. Ich habe noch kein Kind, was zur Schule geht, aber ich war damals in New York und hatte da zwei Kinder, die ich beaufsichtigt habe, die schon zur Schule gingen. Da war das genauso, bei der Frage wie die Schule war kam nur ein gut und mehr nicht. Dann aber abends am Essenstisch, wo wir alle zusammen gegessen haben und die Mama auch dabei war, da ging es dann los, dass jeder über seinen Tag erzählt hat. Da haben die Kinder dann auch mit eingestimmt und haben dann erzählt und das war dann gleich wieder so eine andere Umgebung. Deswegen kann ich auf jeden Fall bestätigen, dass das funktioniert und man es ausprobieren sollte.
Ilka: Ich habe auch schon gehört, dass es für Kinder ein wahnsinnig langer, anstrengender Tag ist, die funktionieren die ganze Zeit, die haben die ganze Zeit soziale Interaktionen. Wenn die nach Hause kommen, wollen die vielleicht auch einfach kurz eine Pause haben und nicht direkt wieder reden. Alleine, dass da ein zeitlicher Abstand liegt, das bringt schon etwas.
Julia: Ja, Zeit ist eigentlich das Wichtigste in vielen Situationen.
Ilka: Ein Thema, das wahrscheinlich fast alle heutigen Eltern so beschäftigt, ist Medienzeit und ein eigenes Handy haben. Gerade auch wegen dieser Sorge um Cybermobbing, um Dinge, die vielleicht nicht im Internet so positiv laufen. Habt ihr da einen Rat? Generell, ist es individuell, in welchem Alter ein Kind ein Handy bekommt oder habt ihr da eine allgemeine Meinung?
Sophie: Ich würde sagen, das hängt viel vom Reifegrad des Kindes ab. Gerade in so einem jungen Alter sind die Reifegrade einfach noch total unterschiedlich. Ich kann mich daran erinnern, dass ich mit elf, glaube ich, mein erstes Handy bekommen habe. Das waren damals noch Handys, wo man nur SMS schreiben und Anrufe tätigen konnte. Da hat man sich noch Bilder per Bluetooth und Infrarot geschickt und das war total cool. Da waren die Gefahren einfach noch nicht so groß wie heute. Deswegen muss man heute natürlich sehr viel vorsichtiger sein, vor allem, was gerade jetzt Social Media angeht und eigene Accounts. Man muss individuell schauen. Aber ich würde jetzt sagen, vor dem 12. und 13. Lebensjahr sollte man da schon sehr vorsichtig sein. Ich glaube, ich würde erst ab 13 anfangen, mit Social Media Profilen.
Julia: Ja, das sehe ich auch so. Das ist natürlich schwierig in der heutigen Zeit, das Kind da komplett fernzuhalten. Dazu würde ich auch nicht raten. Aber man muss echt wahnsinnig vorsichtig sein. Bei mir war es auch so, mein erstes Handy war ein Nokia, da konnte man darauf spielen und SMS schreiben. Eine SMS hat 19 Cent gekostet. Jetzt ist ein Handy das Tor zur Welt, zu allen schönen Dingen, aber auch zu den größten Abgründen. Man kann die furchtbarsten Dinge im Handy sehen, zum Beispiel Morde. Wenn man dem Kind Handy in die Hand gibt, dann muss man damit rechnen, dass es die schlimmsten Dinge dort zu Gesicht bekommt und Dinge, die auf ihn einprasseln, mit denen es überhaupt nicht umgehen kann. Deswegen wäre ich da echt wahnsinnig vorsichtig. Man muss auch unterscheiden zwischen WhatsApp, Instagram, TikTok und YouTube. WhatsApp kann schon sinnvoll sein, dass man dann in Gruppenklassen oder mit den Freunden schreiben kann. Da muss man natürlich auch wegen Mobbing aufpassen und wegen nichtjugendfreien Inhalten, die da vielleicht geteilt werden. Aber so etwas kann man vielleicht früher unter enger Begleitung mit dem Kind schon einführen. Nur bei so richtigen Social-Media-Kanälen wäre ich echt total vorsichtig. Da würde ich es anfangs die längste Zeit nur begleitet machen und eben auch möglichst lange damit warten. Man sollte mit dem Kind genaue Regeln aufstellen und da ist natürlich wieder die Vertrauensbasis total wichtig. Wenn man alles strikt verbietet und das Kind Angst hat, mit einem zu reden, dann wird es die Dinge einfach nur heimlich machen. Es wird dann vielleicht Dinge sehen, die es total verstören, traut sich aber nicht, mit den Eltern darüber zu reden, weil es dann Angst vor einer Strafe hat. Sowas sollte unbedingt vermieden werden. Deswegen ist es wichtig da mit einem großen Vertrauensfeld heranzugehen und dass wir offen mit dem Kind darüber sprechen. Das ist wirklich heutzutage extrem schwierig, das sind zwei Herausforderungen, die hatte davor niemand. Ich bin echt gespannt, wie das so in den nächsten 10, 20 Jahren wird.
Ilka: Ich glaube, das ist einfach etwas ganz Neues. Auch wenn wir alle immer über diesen Spruch von Angela Merkel lachen, das Internet ist für uns alle Neuland. Irgendwie ist es das wirklich und ich glaube, in solchen Dingen dauert es einfach sehr lange, bis sich da ein gesunder Umgang einpendelt. Ich bin auf jeden Fall auch sehr gespannt. Auf jeden Fall schon ein guter Tipp, dass es sehr individuell ist und, dass auch der Stand von Kindern in dem Alter so unterschiedlich ist. Nur weil vielleicht das Nachbarskind in dem Alter schon ein Handy hatte, muss es nicht heißen, dass es bei mir so ist. Wenn man dann ein Handy gibt, kann man auch wirklich viel damit arbeiten. Man kann die Screentime begrenzen und man kann auch zusammen einmal durchgehen, welchen Personen das Kind folgt und Interesse zeigen. Da kann ich auch noch einmal auf die Cybermobbing-Staffel verweisen, da haben wir wirklich viel dazu gesagt. Bleiben wir noch kurz bei dem Thema. Wie ist das, wenn ich das Gefühl habe, dass mein Kind in dieser digitalen Welt gefangen ist und sich überhaupt nicht gerne bewegt oder Sport macht. Wir wissen alle, dass Sport gut für uns ist. Sollten wir unser Kind dann motivieren, oder ist das eine Phase? Wie steht ihr zum Thema körperliche Bewegung bei Kindern?
Sophie: Ich finde das ganz wichtig. Weil früher als Kind habe ich mich gerne bewegt und war viel draußen. Ich bin auf dem Dorf aufgewachsen und da war das einfach Standard, dass man immer draußen gespielt hat, egal bei welchem Wetter. Dann als Jugendliche wurde ich aber schon fauler und Sport war für mich ein Fremdwort. Da ärgere ich mich jetzt im Nachhinein darüber. Durch Sportarten kannst du deine sozialen Kontakte knüpfen, kannst du Freunde schaffen, es macht dir Spaß, es ist für deine psychische und körperliche Gesundheit super wichtig. Da sollte man seine Kinder schon animieren. Aber wichtig ist natürlich, dass das Kind auch eine Sportart findet, die ihm Spaß macht. Ich kann mich daran erinnern, alle Sportarten, die wir in der Schule gespielt haben, fand ich total doof und das hat mir gar keinen Spaß gemacht. Ich konnte nichts mit Handball, Fußball oder sonstigem anfangen. Aber dann habe ich Zumba-Tanz entdeckt und das war voll mein Ding. Endlich habe ich eine Sportart gefunden, die mir Spaß macht und da habe ich mich dann gefunden und habe mich fast jeden Tag in der Woche körperlich betätigt. Punkt Nummer eins ist, einfach eine Sportart zu finden, die dem Kind Spaß macht.
Julia: Ja, sehe ich genauso. Bei mir war es auch dann tanzen und da bin ich bis heute noch geblieben. Ich habe ganz viel ausprobiert, Handball und so weiter und so fort. Tanzen hat echt Spaß gemacht und da habe ich auch mit meiner Freundin immer die Tänze geübt, zwischen den Kursen. Spaß sollte es machen, das Kind sollte nicht gezwungen werden zu etwas, was es gar nicht will. Sonst könnte es passieren, dass das Kind es hasst, dieser Sportart nachzugehen. Das Zweite, was ich total wichtig finde ist, dass man dem Kind ein Vorbild ist und vorlebt, dass man nicht den ganzen Tag auf der Couch sitzt. Man muss nicht überall mit dem Auto hinfahren, sondern man kann zu Fuß gehen oder Fahrrad fahren. Aktuell gehen wir zusammen wandern mit den Kindern, das macht auch Spaß. Wir lieben Bewegung draußen, machen Sport und deswegen leben wir das den Kindern vor und die haben dann selbst auch Lust darauf. Die spielen nicht nur mit ihren Freunden viel draußen, sondern wir machen auch viele Ausflüge, die mit körperlicher Betätigung zu tun haben. Ich denke, was man den Kindern die ersten zehn Jahre vorlebt, bleibt, selbst wenn es in der Pubertät dann einen Einbruch gibt und andere Sachen dann wichtiger sind.
Sophie: Sehe ich genauso.
Ilka: Ja, das ist vielleicht auch beruhigend für alle, die in dieser Teenager-Zeit dann plötzlich Probleme kommen, wo Sachen nicht mehr so laufen, wie sie vorher liefen. Man muss sich bewusst machen, dass das meistens eine Phase ist und wenn man das gut vorlebt, dann entwickeln sie sich nachher wieder so in die Richtung zurück, aus der sie mal gekommen sind.
Sophie: Ich möchte noch hinzufügen, dass es auch ganz normal ist im Teenageralter. Da entwickeln die Kinder die Autonomie, die wollen mehr für sich sein und wollen vielleicht mehr mit ihren Freunden machen. Es ist normal, dass Aktivitäten zusammen als Familie nicht mehr an erster Stelle stehen für ein paar Jahre im Teenageralter. Das sollte man nicht persönlich nehmen.
Julia: Es kann auch sein, dass die Jugendlichen dann mit ihren Freunden draußen Basketball spielen oder den ganzen Tag herumlaufen. Es ist auch schon eine sportliche Betätigung, wenn die den ganzen Tag nur von A nach B laufen. Was ich noch sagen möchte, wenn das Kind sich gar nicht mehr bewegt und nur noch herumliegt, dann sollte man auch hellhörig werden. Das könnte auf eine depressive Phase hindeuten. Das hatte ich zum Beispiel, da war ich wirklich den ganzen Sommer nur bei heruntergelassenen Rollladen im Haus und das war so, weil es mir nicht gut ging. Ich war nicht faul, sondern das war ein Warnzeichen. Auf so etwas sollte man auch achten und genauer hinschauen, falls es wirklich extrem ist, muss man sich dann eventuell um das Kind kümmern.
Ilka: Ich wollte gerade fragen, wie man damit umgeht, wenn man vielleicht Anzeichen für psychische Probleme bei seinem Kind erkennt. Wahrscheinlich haben wir das mit dem Vertrauensverhältnis eigentlich schon abgedeckt, dass man einfach auch viel mit dem Kind ehrlich redet. Aber man ist als ganz normaler Mensch meist nicht geschult darin, Anzeichen für psychische Probleme erkennen. Sollte man da einfach immer wieder im Gespräch bleiben oder gibt es ganz bestimmte Anzeichen, auf die man achten sollte?
Sophie: Ein ganz wichtiges Anzeichen, das auf eine depressive Phase oder andere psychische Probleme hindeuten kann, ist diese Veränderungen im Verhalten. Plötzlich will das Kind sich nicht mehr bewegen und bleibt bei heruntergelassenen Rollladen im Zimmer. Aber es kann sich auch zeigen in Schlafstörung, wenn das Kind plötzlich schlecht wird in der Schule, die Leistungen abnehmen oder wenn es sich sozial isoliert. Aber auch zum Beispiel häufige Wutausbrüche hat oder sogar körperliche Beschwerden ohne klare Ursachen hat. Das Kind klagt vielleicht über Magendarmbeschwerden, man kann aber nicht feststellen, woran es liegt. Das kann auch psychisch bedingt sein.
Julia: Als Eltern ist die Bereitschaft, sich in der Elternrolle und in der Beziehung zum Kind weiterzuentwickeln, wichtig. Man sollte nicht so verharren, wie es früher war, sondern man wahrnimmt, das Kind wandelt sich und wird jetzt auch erwachsen. Man muss auch offen zuhören und wenn das Kind etwas sagt, was einen vielleicht selbst erschüttert, dann sollte man nicht verletzt sein, weil das dem Kind ein schlechtes Gewissen gibt und dann kann es sich erst recht nicht äußern. Man muss dem Kind offen zuhören, annehmen, was es sagt und sich dann auch vielleicht gemeinsam professionelle Hilfe holen. Eine Familientherapie gibt es auch kostenlos an allen möglichen Stellen. Man muss da wirklich eben auch bereit sein zuzuhören, sich auch zu ändern und die Beziehung weiterentwickeln zu lassen.
Sophie: Das Kind ist der Spiegel der eigenen Seele und man kann viel durch sein Kind lernen. Man sollte es nicht persönlich nehmen, wenn das Kind Probleme hat oder es sich beschwert, dass man nicht so reagiert, wie es sich das gewünscht hätte. Bitte nicht persönlich nehmen und sich rechtfertigen. Es bringt nichts, sauer zu werden. Einfach daraus lernen, sich selbst weiterentwickeln und das kann nämlich dann auch nur dem Kind helfen.
Ilka: Das leitet gerade über zu dem Überbehüten. Viele Eltern haben auch das Problem, dass sie dauernd um ihre Kinder herumschwirren, sogenannte Helikoptereltern. Diese Eltern lassen die Kinder gar nicht ihre eigene Fehler machen. Ich verstehe den Drang, aber es ist natürlich nicht gut, wenn das Kind sich nicht weiterentwickeln kann. Was sagt ihr dazu? Wie kann man damit umgehen, wenn man dazu neigt, zu helikoptern?
Julia: Das wichtigste ist, erst einmal sich selbst anzuschauen. Warum habe ich so das dringende Bedürfnis, zu helikoptern und das Kind über zu behüten? Warum ertrage ich es nicht, wenn mein Kind einen Fehler macht, wenn es mal auf die Nase fällt? Warum halte ich das so schwer aus? Meistens ist die Antwort in einem drinnen. Das sind unaufgearbeitete Verletzungen aus der Kindheit. Themen, die man selber bei sich aufarbeiten muss, die man, solange man sie nicht aufarbeitet, Gefahr läuft, dem Kind unreflektiert überzustülpen. Damit hindert man nicht nur das Kind in seiner Entwicklung, sondern auch sich selbst. Es ist ein wahnsinnig wertvoller Schatz, den man da hat, um sich selbst auch weiterzuentwickeln, um Dinge aufzuarbeiten, die sonst vielleicht niemals aufgefallen wären. Davon profitiert natürlich nicht nur das Kind, sondern auch man selbst und die Beziehung zu dem Kind.
Sophie: Sehe ich genauso. Das Kind braucht natürlich diese klaren, aber auch manchmal flexiblen Grenzen, weil Kinder sind am Anfang in einem Alter, da testen sie sich aus. Die testen wie weit sie gehen können, was noch in Ordnung ist. Wenn die Eltern alles zulassen, dann lernen die Kinder praktisch, dass es in Ordnung ist über andere Grenzen zu treten und zu trampeln. Dieses Verhalten werden die sich annehmen und im erwachsenen Alter auch die Grenzen anderer nicht beachten. Das muss man sich immer im Hinterkopf behalten. Es ermutigt auch zur Selbstständigkeit und gibt dem Kind mehr Selbstvertrauen, wenn man jetzt nicht überbehütet, sondern auch in die Fähigkeiten der Kinder vertraut.
Julia: Das ist das Wichtigste. Wenn man versucht, das Kind vor allen Fehlern und vor allen Unwägbarkeiten zu bewahren, dann vermittelt man dem Kind, du kannst es nicht, du schaffst es alleine nicht. Du brauchst immer mich als Hilfe und das kann dem Selbstwertgefühl wirklich einen Schaden anrichten. Das kann auch sein, dass sich das Selbstgefühl gar nicht so gesund entwickeln kann, wie es das eigentlich könnte. Deswegen ist es auch wichtig, dem Kind zu vertrauen. Natürlich ist es auch wichtig, das Kind zu begleiten. Ich meine damit nicht, dass man das Kind in die Welt herausschmeißen soll und es auf sich alleine gestellt ist. Sondern wirklich zu sagen, dass man immer da ist, gerne hilft, begleitet und auffängt. Aber man vertraut auch und man weiß, das Kind kann auch selbst lernen und seinen eigenen Weg gehen. Falls einmal was schiefläuft, dann sind die Eltern trotzdem da, dann ist man an der Seite vom Kind. Das ist enorm wichtig.
Julia: Möglicherweise wird die Pubertät extrem schwierig, wenn man das nie zulässt. Das Kind könnte dann richtig gegen einen kämpfen, nichts mehr von einem wissen, alles alleine machen, sich komplett abschalten und vielleicht gar nicht mehr nach Hause kommen. Das muss man auch immer im Kopf behalten, wie ich vorhin meinte, man muss die Beziehung weiterentwickeln lassen. Wenn man dann weiter versucht, das Kind vor allem zu bewahren, dann wird es sich erst recht von allem lösen. Das heißt, spätestens dann sollte man einsehen, man hat das Kind zu sehr überbehütet, man vertraut dem jetzt und ist jetzt ein Sparing-Partner und unterstützt das Kind.
Ilka: Das finde ich auf jeden Fall richtig schön. Ihr habt so viele Sachen gerade gesagt, die mir auch einiges zeigen. Erst einmal das mit dem Weiterentwickeln der Beziehung, das ist ein logischer Punkt, über den ich auch nie nachgedacht habe mit meinem noch eher jungen Kind. Man muss da wirklich offen dafür sein, dass sich das verändert. Das ist ganz spannend und ich merke auch, wir könnten noch drei Jahre weiterreden, weil das Thema endlos ist und wir auch nur einen ganz kleinen Teil abgedeckt haben. Wenn man hier so einen kleinen allgemeinen Start in das Thema geben will, habt ihr etwas, wo ihr findet, das ist zu kurz gekommen? Das sollten wir noch mal ansprechen?
Julia: Zum Thema Resilienz, das ist ja auch nichts, was man einmal dem Kind irgendwie einimpft und dann ist es für immer.
Sophie: Das ist ein Prozess.
Julia: Ein Prozess, der sich auch wieder zurückentwickeln kann. Da muss man immer schauen, das ist wie ein Turm, der kann auch einstürzen oder da kann auch die Spitze abfallen. Deswegen sollte man sich nicht so darauf ausruhen, mein Kind muss jetzt resilient sein, denn ich habe das jetzt schon so viele Jahre gemacht. Es gibt noch viele andere Einflussfaktoren und auch noch andere Menschen in der Familie oder im Freundeskreis, wo dieses Kind beeinflussen. Da kann es sein, dass das Kind eine gute Resilienz hat, dann wieder eine schlechtere und dann wieder eine gute. Da muss man echt immer dranbleiben und genau beobachten.
Sophie: Ich glaube auch, das Wichtigste ist, dass man für seine Kinder ein sicherer Hafen ist. Es ist wichtig, sich das im Hinterkopf zu behalten, weil das den Kindern vermittelt, wenn es ihnen schlecht geht oder sie Probleme haben, dann wissen die, an wen sie sich wenden können und wer für sie da ist. Wenn man ein sicherer Hafen ist für sein Kind, dann kommt eigentlich alles andere auch noch mit dazu und das lernen die Kinder praktisch fast automatisch.
Julia: Das stimmt. Mir ist noch etwas eingefallen, eine gesunde Fehlerkultur, dass man sagt, Fehler gehören einfach dazu. Es ist auch nicht schlimm, wenn man Fehler macht, sondern wir können daraus etwas lernen, das ist ein Geschenk. Jeder darf Fehler machen, das ändert nichts daran, wie sehr wir uns lieb haben und wir können das zusammen schaffen. Das ist auch ganz wichtig und das bezieht sich wirklich auf jeden Bereich, den wir jetzt angesprochen haben.
Ilka: Ich hatte gerade noch einen letzten Gedanken, den ich nochmal explizit herausstellen will. Wir hatten über das Vertrauensverhältnis gesprochen und man sollte auch viel zulassen, aber man sollte trotzdem klare Grenzen setzen und nicht nur Freund sein für das Kind. Man muss den Spagat finden, zwischen Fehler erlauben und überbehüten. Aber man steckt trotzdem den Rahmen und probiert nicht, einfach der beste Freund meines Kindes zu sein.
Julia: Ja, auf jeden Fall. Da gehört auch dazu, dass wir für unsere eigenen Fehler Verantwortung übernehmen und uns auch beim Kind entschuldigen oder um Entschuldigung bitten. Da leben wir dem Kind nicht nur vor, wie man sich entschuldigen kann, wie man Verantwortung übernehmen kann, sondern entlastet auch das Kind. Wenn wir zum Beispiel übertrieben ausrasten und wirklich der Situation nicht angemessen reagieren, dann geht das Kind davon aus, dass mit dem Kind selbst etwas nicht stimmt. Für das Kind sind die Eltern perfekt und es wird nicht den Gedanken haben, dass die Eltern emotional unreif reagiert haben. Das kann wiederum Schaden am Selbstgefühl anrichten. Deswegen ist das auch wichtig, dass wir, wenn wir einen Fehler machen, Verantwortung übernehmen. Auch wenn das Kind jetzt über die Stränge schlägt, dass wir da auch liebevoll Grenzen setzen und sagen, dass das Verhalten nicht in Ordnung ist. Das Kind ist in Ordnung und man liebt es, aber das Verhalten passt einem nicht und erklärt den Grund. Man kann Vorschläge geben, um die Situation zu reparieren und Ratschläge geben, was das Kind anders machen kann. Aber das Kind braucht Grenzen, wir manchmal auch, die müssen wir uns selbst setzen und das vorleben. Man muss auch schauen, warum hat sich das Kind jetzt so verhalten. War das, weil es noch so jung ist und seine Gefühle nicht anders ausdrücken kann? Es ist wichtig Verständnis für die Gefühle zu zeigen, Gefühle zu haben ist in Ordnung, aber dieses Verhalten nicht. Aufzeigen, wie man reagieren kann oder wie sich das Kind mit Worten oder Taten äußern kann. Geduld ist wichtig, weil das ein langer Prozess ist, der auch was mit der Hirnentwicklung zu tun hat. Das geht nicht von heute auf morgen.
Ilka: Wir wissen natürlich, dass so ein Interview nur ein kleiner Anstoß ist. Deswegen haben wir in den Shownotes für euch noch einen Link dazu, wie eure Kinder oder Jugendlichen Psychotherapie in Anspruch nehmen können. Außerdem der Verweis auf die erste und zweite Staffel, die ich schon erwähnt habe, zum Thema Cybermobbing und Selbstliebe. Wenn euch die Folge gefallen hat, empfehlt sie gerne weiter und abonniert den Podcast, um nichts mehr zu verpassen.