Ausgabe I.2018

Aktuelle Entwicklungen im Gesundheitswesen

Bundesregierung vereidigt – Spahn wird Gesundheitsminister
Deutschland hat wieder eine Regierung, die vierte unter Kanzlerin Merkel. 171 Tage hat es nach der Bundestagswahl gedauert - so lange wie nie zuvor. Nach dem Scheitern der Jamaika-Sondierungen übernimmt die SPD, legitimiert durch ihren Mitgliederentscheid, wieder Regierungsverantwortung. Erneut besteht die Bundesregierung also aus den Parteien CDU, CSU und SPD.

Das Kabinett in der Übersicht

CDU:

  • Angela Merkel - Bundeskanzlerin
  • Helge Braun - Kanzleramt
  • Anja Karliczek - Bildung und Forschung
  • Jens Spahn - Gesundheit
  • Ursula von der Leyen - Verteidigung
  • Julia Klöckner - Landwirtschaft
  • Peter Altmaier - Wirtschaft und Energie

CSU:

  • Horst Seehofer - Inneres, Heimat, Bau
  • Gerd Müller - Entwicklung
  • Andreas Scheuer - Verkehr und Digitales

SPD:

  • Olaf Scholz – Finanzen und Vize-Kanzler
  • Heiko Maas - Auswärtiges
  • Katarina Barley - Justiz und Verbraucher
  • Hubertus Heil - Arbeit und Soziales
  • Franziska Giffey - Familie
  • Svenja Schulze - Umwelt

Jens Spahn, CDU, übernimmt von Hermann Gröhe, CDU, das Ressort Gesundheit. Die Wiedereinführung der paritätischen Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung von Arbeitnehmern und Arbeitgebern wird voraussichtlich zum 1. Januar 2019 umgesetzt. Dies schließt die hälftige Übernahme des Zusatzbeitrages von Arbeitnehmern und Arbeitgebern ein. Wir haben die weiteren Themenblöcke aus dem Koalitionsvertrag für Sie in Kurzform aufbereitet.

Finanzierung GKV:

  • Die aktuell nicht kostendeckenden GKV-Beiträge für Bezieher von Arbeitslosengeld II (ALG II), rund 10 Mrd. Euro, sollen schrittweise aus Steuermitteln kostendeckend umgestellt werden.
  • Sogenannte kleine Selbstständige sollen durch die Herabsetzung der monatlichen Bemessungsgrundlage von aktuell 2.283,75 Euro auf dann 1.150 Euro entlastet werden.


Strukturelle Verbesserungen in der GKV:

  • Bessere Vernetzung im Gesundheitswesen mit besonderem Fokus auf der sektorenübergreifenden Versorgung. Dafür sollen folgende Aspekte verbessert werden:
    - Notfallversorgung, gut erreichbare ärztliche Versorgung, wohnortnahe Geburtshilfe, Hebammen und Apotheken vor Ort.
    - Terminservicestellen der Kassenärztlichen Vereinigungen auch auf haus- und kinderärztliche Termine ausweiten. Derzeit gilt das Angebot ausschließlich für Fachärzte.
    - DMP (Chroniker)- Programme stärken und für Rückenschmerz und Depression ausbauen
    - Festzuschuss Zahnersatz von bisher 50 auf dann 60 Prozent anheben
  • Die Arzthonorare für PKV-und GKV-Versicherte sollen reformiert werden. Dafür erarbeitet eine wissenschaftliche Kommission bis Ende 2019 Vorschläge.
  • Die Telematikinfrastruktur soll weiter ausgebaut werden – beispielsweise für die Einführung der elektronischen Patientenakte, Anwendung und Abrechnung telemedizinischer Leistungen und die Pflege sollen einbezogen werden.
  • Zudem sollen für Unternehmen steuerliche Anreize für Investitionen in die Digitalisierung geschaffen werden.


Verbesserung in der Alten- und Krankenpflege

  • In der Altenpflege sollen Tarifverträge flächendeckend angewendet werden.
  • 8.000 neue Fachkräfte für Pflegeeinrichtungen sollen eingestellt werden. Der finanzielle Mehraufwand soll durch die GKV vollständig gegenfinanziert werden.
  • Bedarfsgerechte Weiterentwicklung der Altenpflege. Insbesondere für Kurz-/Verhinderungs-/Tages- und Nachtpflege zur Unterstützung für pflegende Angehörige. Der Zugang zu Rehabilitationsleistungen soll zusätzlich vereinfacht werden.
  • Stärkung der Alten- und Krankenpflege im ländlichen Raum, beispielsweise durch die bessere Honorierung der Wegezeiten
  • Frühzeitige Vermeidung von Pflegebedürftigkeit, beispielsweise durch die Förderung von präventiven Hausbesuchen aus Mitteln des Präventionsgesetzes
  • Die Zugriffsbegrenzung auf das Einkommen der Kinder pflegebedürftiger Eltern wird auf 100.000 Euro pro Jahr angehoben.

Wie immer bei politischen Vorhaben werden die geplanten Maßnahmen je nach Blickrichtung und Hintergrund unterschiedlich bewertet. Generell lässt sich feststellen, dass die geplanten Maßnahmen eine Weiterentwicklung der Gesetzgebungsverfahren der letzten Legislaturperiode bedeuten. Interessant ist, dass die Koalitionäre für den Bereich Gesundheit und Pflege kein Ausgabentableau erstellt haben. Fest steht, dass die geplante Bürgerversicherung in dieser Legislaturperiode nicht mehr auf der Agenda steht. Nur die wissenschaftliche Kommission, die bis Ende 2019 Vorschläge für eine Reformierung der Arzthonorare der PKV und GKV erarbeiten soll, ist von dem Vorhaben übrig geblieben.

Die ersten Hochrechnungen für die Gesetzesvorhaben im Verantwortungsbereich von Spahn haben begonnen. Unter anderem schätzt das Handelsblatt, als Annäherung an das Thema, die Mehrbelastungen für die GKV wie folgt:

 

 

Absenkung Bemessungsgrenze kleine Selbstständige 750 Mio. Euro
Erhöhung Festzuschuss Zahnersatz 600 Mio. Euro
8.000 zusätzliche Pflegekräfte         800 Mio. Euro
  • Tarifbindung und Erhöhung im Bereich Pflege soll vollständig von den Kassen finanziert werden. Die möglichen Kosten sind derzeit nicht seriös zu beziffern.

Klar ist aber schon jetzt, dass die geplanten Anpassungen die GKV erheblich belasten werden. Unterm Strich könnten es über 3 Mrd. Euro zusätzlich werden, um den Koalitionsvertrag umzusetzen. Hinzu kommt eine Belastung der Wirtschaft durch die Rückkehr zur paritätischen Finanzierung von rund 5 Mrd. Euro.

In der Klappbox finden Sie den vollständigen Koalitionsvertrag, einen Auszug zu den Themen Gesundheit und Pflege sowie eine detaillierte Bewertung des BKK Dachverbands.

Entwicklung Zusatzbeiträge seit Jahresbeginn

Der Absenkung des durchschnittlichen Zusatzbeitrages in der GKV sind einige Krankenkassen gefolgt. Neunzehn Kassen wurden zum Jahreswechsel günstiger, darunter AOKn und die Techniker Krankenkasse. Neun Betriebskrankenkassen hoben den Zusatzbeitrag an. Deutlich wird, dass die Audi BKK als bundesweit geöffnete Krankenkasse mit einem Zusatzbeitrag von nur 0,7 Prozent weiterhin einen sehr attraktiven Beitragssatz bietet. Beigefügt finden Sie eine Übersicht der Kassen, die zum Jahreswechsel ihren Zusatzbeitrag angepasst haben.

Fusionen in der GKV

Der Verdichtungsprozess bei den Krankenkassen geht weiter. Zum Jahreswechsel hat sich die Gesamtzahl auf 110 verringert. Die BKK Vital fusionierte mit der bisherigen BKK Pfalz zur neuen "BKK Pfalz" mit knapp 200.000 Versicherten und die BKK MEM ist in der Metzinger BKK (zusammen rund 30.000 Versicherte) aufgegangen. Bereits im Oktober 2017 haben die BKK advita und die BKK24 zur neuen "BKK24" (rund 131.000 Versicherte) fusioniert. Seit 2000 ist die Anzahl an Krankenkassen um insgesamt 310 Kassen zurückgegangen.

Entwicklung Anzahl der Krankenkassen seit 2000

Anzahl der Krankenkassen im Zeitverlauf
Anzahl der Krankenkassen im Zeitverlauf