Ausgabe III.2017

Sehr geehrte Damen und Herren,

alles wieder auf Anfang. Denn die Sondierungsgespräche der CDU/CSU mit den Grünen und der FDP sind gescheitert. Ursächlich waren wohl die zu unterschiedlichen Positionen der kleineren Parteien, die in der Erklärung der FDP zum Abbruch ihren Ausdruck fanden. Gerade beim Thema Flüchtlingspolitik konnten sich die Parteien nicht auf einen tragbaren Kompromiss einigen. Gescheitert sind aber die vier Parteien gemeinsam. Theoretisch sind nun mehrere Szenarien möglich: eine Minderheitsregierung, Neuwahlen, oder die SPD rückt vom kategorischen „Nein“ zur großen Koalition ab. Bedingung, so ist aus einem Landesverband zu hören, sei unter anderem das Zusammenführen der Gesetzlichen und Privaten Krankversicherung in eine Bürgerversicherung.

Fest steht schon jetzt: Das kommende Jahr wird eine große Herausforderung für die GKV. Passend dazu haben wir die aktuellen Entwicklungen aus dem Gesundheitswesen und der Audi BKK für Sie zusammengefasst. 

Aktuelle Entwicklungen im Gesundheitswesen

Absenkung des durchschnittlichen Zusatzbeitrages in der GKV beschlossen

Bundesgesundheitsminister Gröhe legte die Absenkung des durchschnittlichen Zusatzbeitrages für das kommende Jahr um 0,1 Prozentpunkte auf dann 1,0 Prozent fest. Der Schätzerkreis des Gesundheitswesens, in dem das Bundesministerium der Gesundheit (BMG), der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sowie das Bundesversicherungsamt vertreten sind, positionierten sich dazu nicht eindeutig. Die Krankenkassen wollten im Schätzerkreis die derzeitige Höhe des Zusatzbeitrages beibehalten, weil sie höhere Ausgaben erwarten als das Ministerium und Bundesversicherungsamt.

Einvernehmlich geht der Schätzerkreis von Einnahmen des Gesundheitsfonds im laufenden Jahr von 216 Milliarden Euro und im kommenden Jahr von 222,2 Milliarden Euro aus. Bei den Ausgaben erwarten Ministerium und Versicherungsamt für dieses Jahr 226,4 und für das kommende Jahr 236,2 Milliarden Euro. Die Krankenkassen rechnen dagegen mit höheren Ausgaben von 227,2 Milliarden und 237,3 Milliarden Euro.

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Gesetzlich Krankenversicherte können im kommenden Jahr auf eine leichte Absenkung der Beiträge hoffen. Gesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) legte den durchschnittlichen Zusatzbeitragssatz in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) für 2018 auf 1,0 Prozent fest, wie sein Ministerium in Berlin mitteilte.

Zur Zeit liegt er noch bei 1,1 Prozent. Damit reduziert sich auch der Gesamtbeitrag für die 54 Millionen Kassenmitglieder im Schnitt von 15,7 Prozent auf 15,6 Prozent vom Bruttolohn. Einzelne Kassen können darunter oder darüber liegen.

Seit 2015 zahlen Arbeitgeber und Arbeitnehmer je zur Hälfte einen festen Beitragssatz von 14,6 Prozent. Den Zusatzbeitrag von derzeit 1,1 Prozent zahlen die Arbeitnehmer alleine. Die Reform der Gesundheitsfinanzierung diente dazu, die Arbeitgeber zu entlasten und Arbeitsplätze zu sichern.

Angesichts der guten Konjunktur werden aber auch Stimmen vor allem bei SPD, Grünen und Linken lauter, die Kostensteigerungen im Gesundheitswesen nicht nur auf dem Rücken der Beitragszahler abzuladen, sondern wieder zu einer paritätischen Finanzierung zurückzukehren, bei der sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer den Gesamtbeitrag je zur Hälfte teilen.

Gröhe folgte mit der Absenkung den Empfehlungen des Schätzerkreises im Gesundheitswesen, in dem sein Ministerium, der Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sowie das Bundesversicherungsamt vertreten sind. Die Krankenkassen wollten im Schätzerkreis die derzeitige Höhe des Zusatzbeitrages beibehalten, weil sie höhere Ausgaben erwarten als Ministerium und Versicherungsamt.

Einvernehmlich geht der Schätzerkreis von Einnahmen des Gesundheitsfonds im laufenden Jahr von 216 Milliarden Euro und im kommenden Jahr von 222,2 Milliarden Euro aus. Bei den Ausgaben erwarten Ministerium und Versicherungsamt für dieses Jahr 226,4 und fürs kommende Jahr 236,2 Milliarden Euro. Die Krankenkassen rechnen dagegen mit höheren Ausgaben von 227,2 Milliarden und 237,3 Milliarden Euro. Der Fonds ist die Geldsammel- und -verteilstelle für die Krankenkassen. Mitte des Jahres waren die Finanzreserven der gesetzlichen Krankenkassen auf rund 17,5 Milliarden Euro gestiegen. Somit wurde im ersten Halbjahr 2017 fast schon der Überschuss des Gesamtjahres 2016 von 1,62 Milliarden Euro erreicht. Im Gesundheitsfonds befanden sich Ende 2016 rund 9,1 Milliarden Euro. Diese Reserve dürfte aber inzwischen kleiner geworden sein.

Allerdings ist die Finanzlage der rund 112 gesetzlichen Krankenkassen sehr unterschiedlich. Die Beiträge liegen dementsprechend zwischen 14,9 Prozent und 16,4 Prozent.

Die Reduzierung des durchschnittlichen Krankenkassenbeitrages bringt auch eine leichte Entspannung für die Sozialversicherung insgesamt. Die Arbeitgeber hatten einer neuen Bundesregierung ins Stammbuch geschrieben, die Sozialabgaben für Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unter 40 Prozent zu halten.

Sondergutachten zu den Wirkungen des morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs (Morbi-RSA)

Die Zusammenfassung des vom Bundesministerium für Gesundheit beim Wissenschaftlichen Beirat zur Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs in Auftrag gegebene Sondergutachten liegt inzwischen vor. Die gemeinsame Einschätzung des vdek, des IKK e.V. und des BKK Dachverbands folgte umgehend: Denn die Gutachtenzusammenfassung gebe keine Antworten darauf, wie die bestehenden Wettbewerbsverzerrungen kurzfristig behoben werden können. Im Gegenteil: die Empfehlungen der Gutachter zur Einführung eines „Vollmodells“, bei dem alle – statt wie bisher 80 – Krankheiten im Morbi-RSA berücksichtigt werden, würden in der Praxis die finanzielle Schieflage sogar noch befeuern.

Krankheiten verursachen Kosten in Höhe von 4.140 Euro pro Jahr und Bürger

Das Statistische Bundesamt hat ausgerechnet wie teuer bestimmte Erkrankungen sind. Die Volkswirtschaft wird nicht durch aufwendige Behandlungen wie bei Krebs am meisten belastet, sondern durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Diese verursachten 2015 Kosten in Höhe von 46,4 Milliarden Euro. Eine Übersicht finden Sie unten zum Ausklappen.

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Psychische Krankheiten kosten die Volkswirtschaft knapp 45 Milliarden Euro pro Jahr, fast so viel wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Das geht aus der neuen Krankheitskostenrechnung hervor, die das Statistische Bundesamt am Freitag in Wiesbaden veröffentlichte. Insgesamt verursachten Krankheiten in Deutschland im Jahr 2015 Kosten in Höhe von 338,2 Milliarden Euro. Das entspricht durchschnittlich 4.140 Euro pro Kopf.

Die Krankheitskostenrechnung schätzt die ökonomischen Folgen von Krankheiten ab. Dazu zählt nicht nur die Behandlung, sondern auch Prävention, Rehabilitation oder Pflege. Die letzte Berechnung dieser Art wurde 2008 veröffentlicht. Die Zahlen sind aber nur bedingt vergleichbar, weil seither Methode und Datenbasis verändert wurden. 30 Einzelstatistiken fließen in die Berechnung ein. Welche Krankheit kostet die Volkswirtschaft wie viel? Rund die Hälfte der Gesamtkosten ist auf vier Krankheitsklassen zurückzuführen, wie Destatis-Mitarbeiterin Teresa Stahl ausführt:

  • Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursachten 2015 Kosten in Höhe von 46,4 Milliarden Euro.
  • Dicht dahinter folgten psychische Krankheiten und Verhaltensstörungen mit 44,4 Milliarden Euro.
  • Die dritthöchsten Kosten, 41,6 Milliarden Euro, verursachten Krankheiten des Verdauungssystems, zu denen auch Zahnbehandlungen zählen.
  • An vierter Stelle lagen Muskel-Skelett-Erkrankungen mit einem Betrag von 34,2 Milliarden Euro.
  • "Neubildungen", also Tumore, verursachen hingegen nur Kosten in Höhe von 23,0 Milliarden Euro.

 Je nach Geschlecht und Alter sind die gleichen Krankheiten unterschiedlich teuer. Herz-Kreislauf-Erkrankungen zum Beispiel kosten bei Männern 600 Euro pro Kopf, bei Frauen aber nur 540 Euro. Umgekehrt ist es bei der Psyche: Hier betrugen die Pro-Kopf-Kosten bei Frauen 670 Euro, bei Männern aber nur 420 Euro. Mit fortschreitendem Alter nehmen die Krankheitskosten zu, wie Destatis-Mitarbeiterin Stahl erklärt:

  • Kranke bis 29 Jahre kosteten die Volkswirtschaft 1.670 Euro.
  • Bei Über-85-Jährigen lagen die Krankheitskosten bei 19.790 Euro.

Für Anja Neumann vom Lehrstuhl für Medizinmanagement an der Universität Duisburg-Essen enthält die Krankheitskostenrechnung "wichtige Infos für Entscheider im Gesundheitswesen". Man könne sehen, "wo Bedarf besteht" und wo man vielleicht angreifen kann, etwa indem man die Ausgaben für Forschung erhöht. Nicht sehen könne man, welche Maßnahmen welchen Effekt haben. Will man die Kosten für bestimmte medizinische Maßnahmen wie Medikamente oder Operationsverfahren zu ihrem Nutzen in Beziehung setzen, muss man auf andere Formen der Daten und Datenerhebungen zurückgreifen.

Für den Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) sind die Daten dennoch "eine wichtige Ergänzung", wie GKV-Sprecherin Ann Marini sagte. Die Erkenntnis, Krankheiten getrennt nach Geschlechtern zu betrachten, stecke zum Beispiel noch in den Kinderschuhen. Dass psychische Krankheiten enorme Kosten verursachen, hätten die Kassen hingegen seit langem auf dem Schirm.

Besonders wichtig ist aus Sicht des GKV-Spitzenverbandes das Thema Prävention. "Da kann man gar nicht genug tun", glaubt Marini. Die Kassen investierten mehr als gesetzlich vorgeschrieben in Programme, die den Menschen helfen, sich gesund zu ernähren, viel zu bewegen, mit dem Rauchen aufzuhören und zu lernen, mit Stress umzugehen.