Ausgabe III.2022

Aktuelle Entwicklungen im Gesundheitswesen

Finanzsituation GKV – 2023 und darüber hinaus

Bereits in den ersten sechs Monaten 2022 ist die Mehrheit der gesetzlichen Krankenkassen in diesem Zeitraum laut amtlichem Ergebnis deutlich ins Minus gerutscht. Trotz des zusätzlichen Bundeszuschusses in Höhe von 14 Milliarden Euro für 2022 überstiegen die Ausgaben die Einnahmen um 287 Millionen Euro. Gleichzeitig schmolzen die Rücklagen um 300 Millionen Euro auf nunmehr 9,6 Milliarden Euro ab. Aufgrund der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie und der expansiven Ausgabenpolitik der vergangenen Legislaturperiode entstehen immer größere Finanzierungslücken im Gesundheitssystem.

Um die Finanzierung der GKV zumindest für das kommende Jahr zu sichern hat der Bundestag – entgegen lauter Kritik – am 20. Oktober 2022 das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (FinStG) beschlossen. Darin enthalten sind unter anderem folgende Kerninhalte:

  • Höherer durchschnittlicher Zusatzbeitrag: von 1,3 Prozent auf 1,6 Prozent
  • Erhöhter Bundeszuschuss: 2 Mrd. Euro
  • Bundesdarlehen an den Gesundheitsfonds: 1 Mrd. Euro
  • Abschmelzen von Finanzreserven der Krankenkassen
  • Arzneimittelausgaben/Stabilisierung
  • Extrabudgetäre Vergütung vertragsärztlicher Leistungen

Die zusätzliche Finanzlast wird zu 75 Prozent von den Beitragszahlenden getragen. Darüber hinaus wurde der Höchstwert der finanziellen Rücklagen einer Krankenkasse von 80 Prozent auf 50 Prozent einer Monatsausgabe gesenkt. Die Rücklage bei Krankenkassen dient dem Ausgleich von Einnahme- bzw. Ausgabeschwankungen. Die Audi BKK wird dadurch verpflichtet, etwa 40 Mio. Euro als kassen­über­greifende Solidarabgabe an den Gesundheitsfonds abzuführen und das in wirtschaftlich gerade auch für Krankenkassen herausfordernden Zeiten.

Deutlich ist, dass durch die wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie, den demografischen Wandel und dem medizinischen Fortschritt eine grundlegende und langfristig ausgelegte Reform der GKV-Finanzierung unvermeidbar ist. Ohne Finanzreform droht der GKV schon ab 2024 stark steigende Zusatzbeiträge. Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach hat Empfehlungen für eine stabile, verlässliche und solidarische Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung angekündigt. Bis zum 31. Mai 2023 wird das Bundesministerium für Gesundheit Empfehlungen vorlegen.

Am 6. Dezember 2022 stellte Lauterbach erste Ansätze der Regierungskommission zur Reform der Krankenhauslandschaft vor. Die Häuser sollen ihre Patientinnen und Patienten künftig mehr nach medizinischen und weniger nach wirtschaftlichen Kriterien behandeln. Die Kommission schlägt vor, anstatt der Fallpauschalen die Kliniken nach drei neuen Kriterien zu vergüten: Nach sogenannten Vorhalteleistungen, Versorgungsstufen sowie Leistungsgruppen. Damit soll sichergestellt werden, dass nur solche Kliniken bestimmte Behandlungen abrechnen können, die entsprechend qualifiziert und dafür ausgestattet sind. Ziel der Reform ist es, von Mittelmaß und Quantität hin zu bedarfsgerechter qualitativ hochwertiger medizinischer Versorgung zu kommen.

Anpassungen der Zusatzbeiträge – Änderung an der Informationspflicht

Der vom Schätzerkreis festgelegte durchschnittliche Zusatzbeitrag 2023 wird, wie oben an­ge­kündigt, von derzeit 1,3 auf dann 1,6 Prozent steigen. Jede Krankenkasse legt dabei ihren Zusatz­beitrag selbst fest, in der Regel wird am Ende des Jahres der kassenindividuelle Zusatzbeitrag von den jeweiligen Verwaltungsräten verabschiedet. Im Klappentext finden Sie einen Link zu einer aktuellen Liste der Beiträge der einzelnen Krankenkassen.

Bislang war es gesetzlich vorgeschrieben, dass Krankenkassen eine Anhebung des Zusatzbeitrages ihren Versicherten rechtzeitig und auf schriftlichem Wege mitteilen mussten. Diese Infor­mations­pflicht wurde durch das BMG bis zum 30. Juni 2023 aufgeweicht. Die Krankenkassen müssen ihre Mitglieder über eine Erhöhung und das dadurch ausgelöste Sonderkündigungsreicht nur noch „auf geeignete Weise“ informieren. Die Audi BKK wird unter anderem über ihre Webseite dazu berichten.

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Kritik der Selbstverwaltung an Alleingängen einiger Ersatzkassen

Vier der sechs Ersatzkrankenkassen wollen ihren Zusatzbeitragssatz im kommenden Jahr, trotz der Anhebung des durchschnittlichen Zusatzbeitrages, nicht erhöhen. Die Finanzvorstände der Kassen gehen davon aus, dass die Krankenkassen die Mehrkosten aus ihren Reserven decken können. Hier liegt das Problem, denn diese Informationen wurden teils formell, teils informell an die Medien weitergegeben – bevor die Selbstverwaltung über die jeweiligen Haushalte 2023 abgestimmt hatte.

Der oberste Vertreter der gewählten Selbstverwaltung des Ersatzkassenverbands vdek, Uwe Klemens, sagte dazu, dass es zu den Königsrechten der Selbstverwaltung gehöre, über den Haushalt und die Höhe der Zusatzbeiträge zu entscheiden. Viele Selbstverwalter fühlen sich nicht nur von den hauptamtlichen Geschäftsführungen überrollt und in ihrer Funktion missachtet, sie äußern auch Kritik in der Sache. Denn der Verzicht auf eine Erhöhung des Zusatzbeitrags könnte in der Politik missverstanden werden und daraus der falsche Schluss gezogen werden, dass die finanzielle Lage gar nicht so dramatisch sei, wie behauptet. Hintergrund dieser Äußerung ist, dass die Politik im kommenden Jahr nun schon zum zweiten Mal Unternehmensrücklagen der Kassen einsetzt, um Finanzlöcher im Gesundheitsfonds zu stopfen.

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