Das Arbeitnehmer-Entsendegesetz wurde zum 30. Juni 2020 verändert Grund dafür war die bereits im Jahr 2018 verabschiedete Reform der EU-Entsenderichtlinie.
Was veränderte sich durch die Neuregelung?
Mit dem neuen Gesetz haben entsandte Arbeitnehmer fortan nicht mehr nur Anspruch auf den Mindestlohn, sondern auch auf den Tariflohn aus allgemeinverbindlichen Tarifverträgen. Bisher galten für Arbeitnehmer ausländischer Unternehmen nur die in der Branche vorhandenen Mindestentgeltsätze.
Arbeitnehmer aus dem Ausland erhalten zudem künftig Weihnachts- und Urlaubsgeld sowie Schmutz- und Gefahrenzulagen, genauso wie die inländisch Beschäftigten des Arbeitgebers.
Bezahlen Arbeitgeber ihren Beschäftigten eine Zulage für Reise-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten, darf dieser Betrag nicht auf den Mindestlohn angerechnet werden. Diese Kosten hat der ausländische Arbeitgeber zu übernehmen, ebenso wie Aufwendungen aufgrund dienstlicher Reisen im Inland.
Durch diese Regelungen haben ausländische Arbeitgeber die nahezu gleichen Verpflichtungen wie deutsche Unternehmen, wodurch das sogenannte „Lohndumping“ verhindern werden soll.
Arbeitgeber, die selbst Unterkünfte für die entsandten Arbeitnehmer bereitstellen oder vermitteln, müssen zudem die Vorgaben der Arbeitsstättenverordnung einhalten, also den Mindeststandard bei der Unterbringung beachten.
Grundsätzlich gelten künftig für Beschäftigte aus dem Ausland nach zwölf Monaten alle in Deutschland vorgeschriebenen Arbeitsbedingungen, z. B. Entgeltfortzahlung an Feiertagen, Ansprüche auf Eltern- oder Pflegezeit.
In begründeten Ausnahmefällen können Arbeitgeber jedoch eine Fristverlängerung um sechs Monate beantragen.
Die Zollverwaltung kontrolliert künftig neben den Mindestentgeltsätzen auch die tarifvertraglichen Entlohnungsbedingungen.
Der Straßenverkehrssektor ist ausgenommen von diesen Änderungen, zudem gelten Ausnahmevorschriften für kurze Entsendungszeiträume.
Seit dem 1. Juli 2019 ist das A1-Antrags- und Bescheinigungsverfahren für alle Arbeitgeber verpflichtend elektronisch anzuwenden. Für die nachfolgenden Nachrichtentypen besteht ab dem 1. Januar 2021 nun ebenfalls eine verpflichtende elektronische Beantragung:
Für Beamte bzw. im öffentlichen Dienst Beschäftigte, ist für die Beantragung der A1-Bescheinigung der neue „A1-Antrag Beamte/ Beschäftigte im öffentlichen Dienst“ zu verwenden.
Für Mitglieder des Flug- und Kabinenpersonals ist der „A1-Antrag Flug und Kabinenbesatzungen“ nun verpflichtend elektronisch zu stellen, wenn sie ihre Heimatbasis in Deutschland haben und ebenfalls in einem anderen Mitgliedstaat arbeiten.
Der „A1-Antrag beschäftigte Seeleute“ ist vom Arbeitgeber dann zu übermitteln, wenn die Seeleute an Bord eines Hochseeschiffs beschäftigt werden, welches nicht unter deutscher Flagge fährt und gleichwohl die deutschen Rechtsvorschriften gelten. Abweichend davon gilt das Recht des Wohnsitzstaats der Seeleute, wenn sie von einem Arbeitgeber mit Sitz in diesem Staat ihr Entgelt erhalten. Mit der Einführung einer verpflichtenden elektronischen Antragstellung wird das Verfahren angepasst und optimiert.
Für in Deutschland wohnende Personen, die ausschließlich bei einem in Deutschland ansässigen Arbeitgeber beschäftigt sind, und ihre Beschäftigung gewöhnlich in mehreren Mitgliedstaaten ausüben, ist der „A1-Antrag gewöhnlich in mehreren Mitgliedstaaten Beschäftigte“ vom Arbeitgeber elektronisch zu nutzen.
Die Anträge für Flug- und Kabinenbesat-zungen, sowie für gewöhnlich in mehreren Mitgliedstaaten Beschäftigte, sind analog der Ausnahmevereinbarungen an die Deutsche Verbindungsstelle Krankenversicherung – Aus-land (DVKA) zu übermitteln.
Zudem wurde § 106 Abs. 1 Satz 3 SGB IV angepasst: Der Arbeitgeber hat die A1-Bescheinigung dem Arbeitnehmer „unverzüglich zugänglich“ zu machen. Somit kann offiziell auch eine digitale Übermittlung vorgenommen werden – die Verpflichtung zum Ausdrucken entfällt.
Zum 31. Dezember 2020 endet der im Austrittsabkommen vereinbarte Übergangszeitraum, in welchem die Verordnungen zur Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit für Sachverhalte mit dem Vereinigten Königreich vollumfänglich weitergelten. Das bedeutet:
Für Personen, die vor dem 31. Dezember 2020 ins Vereinigte Königreich oder nach Deutschland entsandt wurden, gelten bis zum Ende der Entsendung (max. 24 Monate) die bisherigen Rechtsvorschriften über soziale Sicherheit, solange sich die Person ohne Unterbrechung in der bis 31. Dezember 2020 bestehenden Situation befindet. Die Entsendung wird durch die A1-Bescheinigung nachgewiesen.
Für Personen, die ab dem 1. Januar 2021 neu ins Vereinigte Königreich oder nach Deutschland entsandt werden, ist zu prüfen, ob das Austrittsabkommen anwendbar ist und somit die Rechtsvorschriften weiter gelten. Dies ist nur dann der Fall, wenn ein grenzüberschreitender Sachverhalt vorliegt, der ohne Unterbrechung über den 31. Dezember 2020 hinausgeht.
Liegt kein grenzüberschreitender Sachverhalt vor, der ohne Unterbrechung über den 31. Dezember 2020 hinausgeht, sind die Regelungen des Austrittsabkommens nicht anwendbar.
Bei einem Einsatz im Vereinigten Königreich kommt es ohne eine Regelung zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich (Stand November) hinsichtlich der Versicherungspflicht in den Sozialversicherungszweigen ausschließlich auf die deutsche Vorschrift über die Ausstrahlung (§ 4 SGB IV) an.
Die Prüfung der einzelnen SV-Zweige obliegt der bisher zuständigen Einzugsstelle (Krankenkasse). Für den Zweig der gesetzlichen Unfallversicherung ist die Beurteilung vom zuständigen UV-Träger vorzunehmen.
Sind die Vorschriften für die Weitergeltung des deutschen Rechts erfüllt, schließt dies jedoch nicht aus, dass daneben auch im Vereinigten Königreich bestehende gesetzliche Vorschriften in Bezug auf die soziale Sicherheit zu berücksichtigen sind. Soweit keine vorrangigen zwischenstaatlichen Regelungen bestehen, ist das jeweilige nationale Recht maßgeblich, wodurch Doppelversicherungen möglich wären.
Beispiel 1:
Ein deutscher Arbeitnehmer wird vom 01.10.2020 bis 30.04.2021 von Deutschland in das Vereinigte Königreich entsandt.
Lösung:
Bei einer Entsendung aus Deutschland in das Vereinigte Königreich (UK) vor dem 31.12.2020 gilt weiterhin deutsches Recht gem. Art. 12 Abs. 1 VO (EG) 883/04; die A1-Bescheinigung wird befristet für die Dauer der Entsendung ausgestellt. Eine Verlängerung bis max. 24 Monate ist möglich.
Fortführung Beispiel 1:
Der Arbeitnehmer kehrt zum 30.04.2021 nach Deutschland zurück. Vom 01.08.2021 bis 31.01.2022 wird er erneut nach UK entsandt.
Lösung:
Die Regelungen der VO (EG) 883/04 und VO (EG) 987/09 sind nur anwendbar, solange sich eine Person ohne Unterbrechung in der bis 31.12.2020 bestehenden Situation befindet. Die über den 31.12.2020 hinausgehende Entsendung wurde beendet. Für den Zeitraum vom 01.08.2021 bis 31.01.2022 ist das Austrittsabkommen nicht anwendbar. Ob ab dem 01.08.2021 deutsches Recht gilt, ist nach § 4 SGB IV (Ausstrahlung) zu prüfen.
Beispiel 2:
Wie im Beispiel 1, nur handelt es sich um einen Arbeitnehmer mit britischer Staatsangehörigkeit, der seinen Wohnsitz in Deutschland hat.
Das Abkommen gilt auch bei Sachverhalten, die zwar nach 31.12.2020 beginnen, aber ein grenzüberschreitender Bezug ohne Unterbrechung über den 31.12.2020 hinausgeht.
Lösung 2:
Da es sich beim Arbeitnehmer um eine Person mit britischer Staatsangehörigkeit handelt, die über den 31.12.2020 hinaus in Deutschland wohnt, sind die Regelungen vom Austrittsabkommen auch für den Entsendezeitraum ab dem 01.08.2021 anwendbar, eine A1-Bescheinigung kann beantragt werden.
Beispiel 3:
Ein deutscher Arbeitnehmer wird vom 01.03.2021 bis 30.09.2021 von Deutschland in das Vereinigte Königreich entsandt.
Lösung:
Das Austrittsabkommen ist hier nicht anwendbar. Eine A1-Bescheinigung kann nicht ausgestellt werden. Ob weiterhin deutsches Recht gilt, ist nach § 4 SGB IV (Ausstrahlung) zu prüfen.
Weitere Informationen unter www.dvka.de.