Erschütterung des Anscheinsbeweises für private Fahrzeugnutzung: BFH hebt Vorentscheidung auf
Der Bundesfinanzhof (BFH) hat klargestellt, dass bei der Frage, ob der Anscheinsbeweis für die private Nutzung betrieblicher Fahrzeuge erschüttert ist, alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt werden müssen. Fahrtenbücher dürfen dabei nicht allein deshalb ignoriert werden, weil sie formale Mängel aufweisen.
Hintergrund des Falls
Im Streit standen die Nutzung und steuerliche Behandlung von zwei Luxusfahrzeugen eines freiberuflichen Prüfsachverständigen in den Jahren 2011 bis 2013. Der Kläger leaste einen BMW 740d X Drive (Grundpreis: 89.563,01 EUR netto) und ab 2012 einen Lamborghini Aventador (Grundpreis: 279.831,93 EUR netto). Beide Fahrzeuge wurden als reine Betriebsausgaben geltend gemacht, wobei der Lamborghini zusätzlich mit einer Werbefolie als Werbeträger ausgestattet war.
Der Kläger führte handschriftliche Fahrtenbücher, die aus seiner Sicht die ausschließliche betriebliche Nutzung der Fahrzeuge belegten. Zudem besaß er zwei private Fahrzeuge, einen Ferrari 360 Modena Spider und einen Jeep Commander, die er für private Zwecke nutzte. Das Finanzamt (FA) stellte jedoch die Ordnungsmäßigkeit der Fahrtenbücher infrage und ging von einer privaten Nutzung der betrieblichen Fahrzeuge aus. Es setzte den geldwerten Vorteil nach der 1%-Regelung an und kürzte die Aufwendungen für den Lamborghini aufgrund unangemessener Repräsentationskosten um zwei Drittel.
Entscheidung des Finanzgerichts und des BFH
Das Finanzgericht (FG) folgte der Argumentation des Finanzamts und wies die Klage des Prüfsachverständigen weitgehend ab. Es begründete, dass der Anscheinsbeweis für eine private Nutzung nicht durch die vorgelegten Fahrtenbücher entkräftet sei, da diese teilweise unlesbar und die Transkripte nachträglich erstellt worden seien. Zudem hätten die Fahrzeuge im Privatvermögen des Klägers nicht denselben Status und Nutzungszweck wie die betrieblichen Fahrzeuge.
Der BFH hob dieses Urteil auf und verwies den Fall zur erneuten Verhandlung an das FG zurück. Er stellte fest, dass der Anscheinsbeweis für die private Nutzung betrieblicher Fahrzeuge nicht allein auf Basis formaler Mängel eines Fahrtenbuchs aufrechterhalten werden darf. Entscheidend sei, ob die Umstände des Falls insgesamt eine private Nutzung nahelegen. Sofern der Kläger substantiiert darlegt, dass eine private Nutzung ausgeschlossen ist, sei das FG verpflichtet, diesen Vortrag umfassend zu prüfen.
Wichtige Punkte der BFH-Entscheidung
Anscheinsbeweis:
Nach allgemeiner Lebenserfahrung werden betriebliche Fahrzeuge häufig auch privat genutzt. Dieser Anscheinsbeweis kann jedoch entkräftet werden, wenn für private Fahrten gleichwertige Fahrzeuge zur Verfügung stehen. Maßgeblich sind hierbei Kriterien wie Motorleistung, Prestige und Ausstattung.
Fahrtenbücher:
Ein Fahrtenbuch darf nicht allein aufgrund formaler Mängel unberücksichtigt bleiben, solange es Anhaltspunkte gibt, die eine rein betriebliche Nutzung plausibel machen.
Unangemessenheit der Aufwendungen:
Bei der Beurteilung der Angemessenheit von Fahrzeugkosten sind Faktoren wie Unternehmensgröße, Umsatz, Gewinn und betrieblicher Nutzen des Fahrzeugs zu berücksichtigen. Die Kosten-Nutzen-Relation allein reicht nicht aus, um Aufwendungen als unangemessen zu bewerten.
Ausblick
Das FG muss nun den Vortrag des Klägers eingehend prüfen und dabei insbesondere klären, ob die betriebliche Nutzung des Lamborghini und BMW durch die vorgelegten Beweise glaubhaft gemacht wurde. Auch die Frage, ob der Lamborghini als Repräsentationsfahrzeug einen betrieblichen Nutzen hatte, ist neu zu bewerten.
BFH, Urteil v. 22.10.2024, VIII R 12/21; veröffentlicht am 19.12.2024