Aktuelle Entwicklungen imGesundheitswesen
Die Ampel-Koalition ist Geschichte. Die politischen Unsicherheiten haben, in einem bereits schwierigen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umfeld, weitreichende Folgen. Bundeskanzler Olaf Scholz hatte vier Schwerpunkte für die Übergangszeit identifiziert: Bezahlbare Energie, Sicherung der Arbeitsplätze in der Automobilindustrie, Investitionsprämien zur Stärkung der Wirtschaft sowie die Unterstützung der Ukraine. Vom Gesundheitssektor ist nicht die Rede. Fest steht: Umfassende Strukturreformen sind zwingend notwendig.
Bis auf den kontroversen Vorschlag von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, als Finanzierungsquelle für die Krankenkassen auch Kapitaleinnahmen heranzuziehen, gibt es keine nennenswerten Vorschläge zur nachhaltigen Finanzierung des Gesundheitssystems. Im Gegenteil: Mit der nun wohl doch kommenden Entbudgetierung der Hausärzte wird ein Wahlgeschenk zu Lasten der Beitragszahlenden präsentiert.
Rechnerisch durchschnittlicher Zusatzbeitrag 2025 – ist Makulatur
Der Schätzerkreis und das BMG waren sich dann doch einig. Der rechnerisch durchschnittliche Zusatzbeitragssatz ist für 2025 um 0,8 Prozentpunkte von 1,7 auf 2,5 Prozent gestiegen. Allein das ist der größte Beitragsanstieg in der GKV seit 50 Jahren. Allerdings liegt der echte durchschnittliche Zusatzbeitrag derzeit mit 2,9 Prozent nochmals deutlich darüber, da die Rücklagen aufgefüllt werden müssen.
Für das Jahr 2025 erwartete der Schätzerkreis Einnahmen des Gesundheitsfonds in Höhe von 294,7 Milliarden Euro. Diese beinhalten den regulären Bundeszuschuss in Höhe von 14,5 Milliarden Euro abzüglich des Anteils für die landwirtschaftliche Krankenkasse. Die Ausgaben der Krankenkassen im Jahr 2025 belaufen sich voraussichtlich auf 341,4 Milliarden Euro.
Wäre mit dieser Anhebung alles wieder gut? Mitnichten warnte Anne-Katrin Klemm, Vorständin des BKK Dachverbands, denn „es ist absehbar, dass auch in 2025 die Ausgaben weiter steigen werden, weil die Bundesregierung dieser Entwicklung nichts entgegensetzt.“ Lauterbach hatte verkündet, dass die Beiträge darüber hinaus nicht weiter steigen werden.
Der festgelegte durchschnittliche Zusatzbeitragssatz ist ein rechnerischer Orientierungswert für die Krankenkassen, um ihre Haushalte aufzustellen. Die Kassen dürfen davon abweichen und haben das auf breiter Front getan.
Zusatzbeiträge stiegen deutlich
Zum Jahreswechsel haben 82 der 94 gesetzlichen Krankenkassen den Zusatzbeitrag erhöht – andere haben bereits im Laufe des Jahres angehoben. Die Höhe der Zusatzbeiträge unterscheidet sich inzwischen erheblich. Die teuerste Kasse verlangt 4,4 Prozent, durchschnittlich erhöhten die Kassen ihren individuellen Beitrag zum Jahreswechsel auf 2,91 Prozent. Im Branchenvergleich profitieren die Mitglieder der Audi BKK also trotz der Anhebung von einem äußerst attraktiven Beitragssatz.
Die Kostenentwicklungen im Gesundheitswesen unterliegen einer bisher nicht dagewesenen Entwicklung, wodurch in vielen Bereichen eine seriöse und stabile Finanzplanung nicht mehr möglich ist. Viele Kassen waren gezwungen, die vom BMG dargelegte Entwicklung bereits vorweg zu nehmen und hatten den Zusatzbeitrag unterjährig und im vergangenen Jahr bereits (teilweise mehrfach) angehoben.
Übersicht Zusatzbeiträge
Der sozialen Pflegeversicherung geht es nicht besser
Die finanzielle Situation der sozialen Pflegeversicherung (SPV) sieht nicht besser aus. Bereits im Februar 2025, faktisch aber schon einige Monate früher, wäre sie zahlungsunfähig gewesen. Wie in der GKV auch, steigen die Ausgaben und teure Reformen belasten das System zusätzlich. Dabei wurden mit dem Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz (PUEG) zum 1. Juli 2023 die Beiträge bereits um 0,35 Punkte auf 3,4 Prozent bzw. um 0,6 Punkte auf 4,0 Prozent für Kinderlose erhöht. Zum 1. Januar 2025 stiegen diese nun erneut um 0,2 Prozentpunkte.
Überrascht hat diese Entwicklung eigentlich niemanden, der sich mit den Finanzkennzahlen auseinandersetzt. Laut Schätzungen der Pflegekassen wird das Defizit für 2024 bei 1,8 Milliarden Euro und 2025 bei bis zu 5,8 Milliarden Euro liegen. Damit die Zahlungsfähigkeit der Pflegeversicherung bei ausbleibenden Reformen vorrübergehend gesichert bleibt, hat der Bundesrat am 20. Dezember 2024 der Verordnung des Bundeskabinetts zugestimmt, den Beitragssatz zur sozialen Pflegeversicherung zum 1. Januar 2025 um 0,2 Prozentpunkte zu erhöhen. Der GKV-Spitzenverband hatte eine Anhebung der Beitragssätze um mindestens 0,25 Prozentpunkte 2025 für notwendig erachtet.
Der Spitzenverband forderte zudem, dass die rund 5,3 Mrd. Euro, die in Coronazeiten aus der Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds zur Finanzierung von anderen Dingen als Pflegeleistungen genutzt wurden, vom Bund ausgeglichen werden müssten. Ebenso wie die Übernahme der Rentenbeiträge für pflegende Angehörige in Höhe von 4 Milliarden Euro für 2024.
Die Audi BKK ist der festen Überzeugung, dass nur durch grundlegende Reformen der Pflegeversicherung die Beitragsspirale durchbrochen werden kann. Denn ohne systemische Veränderungen ändert sich nichts an den eigentlichen Herausforderungen, Probleme werden nur verschoben. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kündigte auf Rückfrage zur Pflegereform in einer Diskussionsrunde, nach eigenen Worten, ein Jahrhundertwerk wie folgt an: „Irgendwie muss das austariert werden […]. Wäre toll. Man darf die Hoffnung nicht aufgeben.“ Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach kündigte bereits im vergangenen Herbst einen Vorschlag für eine gewaltige Pflegereform an.
Höhere Beitragssätze für die soziale Pflegeversicherung in 2025
Bundesrat beschließt Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG)
Am 22. November 2024 hat der Bundesrat die Krankenhausreform gebilligt. Mit dem KHVVG soll die Behandlungsqualität in Klinken verbessert, die medizinische Versorgung gestärkt und zugleich die Häuser von Bürokratie und ökonomischem Druck entlastet werden. Der finanzielle Druck wird einfach durchgereicht.
Allein die Beteiligung am im Gesetz enthaltenen Transformationsfonds würde die Audi BKK pauschal und jährlich mit Kosten in Höhe von 0,15 Beitragspunkten belasten. Hälftig finanziert durch die gesetzlichen Krankenkassen und Bundesländer, mit einem Volumen von insgesamt 50 Mrd. Euro über eine Laufzeit von zehn Jahren – beginnend ab 2026. Der Transformationsfonds dient laut BMG zur Förderung strukturverbessernder Vorhaben im Krankenhausbereich. Ob Gelder der Krankenkassen überhaupt dafür verwendet werden dürfen, ist rechtlich fraglich.
Das KHVVG muss nun mit den Ländern umgesetzt werden. Die Auswirkungen waren und sind bereits spürbar: Krankenhäuser versuchen in die notwendigen Leistungsgruppen zu kommen. Dafür wird abgerechnet, was der Leistungskatalog hergibt. Ein Grund, warum die Ausgaben in diesem Bereich so stark gestiegen sind.
Zukünftig werden nur noch 40 Prozent der Einnahmen über tatsächlich abgerechnete Fälle (diagnosebezogene Fallgruppen, sogenannte DRGs) generiert, der Rest wird vorab und pauschal ausgeschüttet. Da sich die die Abrechnungsprüfung der Kassen lediglich auf die DRGs bezieht, kann nur noch ein Bruchteil der tatsächlichen Kosten geprüft werden.
Entbudgetierung als Wahlgeschenk
Durch den Bruch der Regierungskoalition war eine weitere Zusammenarbeit eigentlich undenkbar. Wohl mit Blick auf die anstehende Bundestagswahl scheint es nun doch noch ein weiteres Vorhaben zu geben, auf das sich SPD, Grüne und FDP verständigen konnten: Die Entbudgetierung der Hausärzte. Durch die Budgetierung soll ein übermäßiger Anstieg der Ausgaben verhindert werden. Für Hausärztinnen und-ärzte will die ehemalige Regierungskoalition dies nun noch vor der Bundestagswahl abschaffen.
Erwartet werden, allein für die Hausärzteschaft, Mehrkosten in Höhe von 400 bis 700 Mio. Euro pro Jahr. Das führt zu Unverständnis bei allen, die nicht der ehemaligen Regierungskoalition angehörten. Ein Wahlgeschenk, das in der Folge der Diskussion um die Entbudgetierung der Fachärzte Vorschub leistet.
Der BKK Dachverband nimmt die Hausärztinnen und –ärzte in die Pflicht. Sie müssten nun zeigen, dass die Entbudgetierung zu einer besseren Versorgung führt (bspw. Terminvergabe, Neuaufnahmen etc.). Aktuell steht jetzt erstmal ein Blankoversprechen im Raum – die Rahmenbedingungen müssten nachverhandelt werden. Ob das überhaupt passiert, ist aufgrund der politischen Situation ungewiss.
Turnusmäßige Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze
Die Beitragsbemessungsgrenze (BBG) ist eine Rechengröße, die bestimmt, bis zu welchem Betrag die beitragspflichtigen Einnahmen von gesetzlich Versicherten für die Beitragsberechnung der gesetzlichen Sozialversicherung herangezogen werden. Ab 2025 entfällt die Trennung in der Renten- und Arbeitslosenversicherung Ost und West. Die Beitragsbemessungsgrenze steigt deutlich, da sich diese an der allgemeinen Einkommensentwicklung im Vorjahr orientiert.
Bundeseinheitlich stieg die BBG der Kranken- und Pflegeversicherung von 62.100 Euro (5.175 Euro/Monat) auf 66.150 Euro bzw. 5.512,50 Euro monatlich bzw. für die Rentenversicherung auf 96.600 Euro pro Jahr bzw. 8.050 Euro monatlich. Die Jahresarbeitsentgeltgrenze zum Wechsel in die Private Krankenversicherung wurde von 69.300 Euro (5.775 Euro/Monat) auf 73.800 Euro bzw. 6.150 Euro pro Monat angehoben.
Die inflationsbedingten Lohnsteigerungen bescheren dem Gesundheitsfonds und den Krankenkassen „automatisch“ mehr Einnahmen. Nach Angaben des Bundesministeriums für Gesundheit waren das im 1. Halbjahr 2024 allein 5,5 Prozent. Ohne die steigenden Zusatzbeiträge (siehe oben). Umso dramatischer ist, trotz steigender Einnahmen, die Anhebung des tatsächlichen durchschnittlichen Zusatzbeitrages auf 2,5 Prozent.