Aktuelle Entwicklungen im Gesundheitswesen
Lauterbach stellt Eckpunkte zur Reduzierung des Defizits vor – durchschnittlicher Zusatzbeitrag steigt auf 1,6 Prozent
Die Bundesregierung rechnet weiterhin mit einem Defizit in der Gesetzlichen Krankenversicherung von rund 17 Milliarden Euro für 2023. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) schloss „moderate Beitragsanpassungen“ nicht aus. Am Dienstag, den 28. Juni 2022, stellte der Gesundheitsminister Lauterbach (SPD) die geplanten Maßnahmen zur Gegenfinanzierung des Defizits vor: Der Steuerzuschuss soll um zwei auf dann 16,5 Mrd. Euro steigen, eine weitere Milliarde Euro soll durch ein Bundesdarlehen für die Gesetzliche Krankenversicherung hinzukommen – faktisch werden gesetzlich Versicherte damit verschuldet. Der durchschnittliche Zusatzbeitrag soll um 0,3 Prozentpunkte steigen und rund fünf Milliarden Euro bringen, zudem sollen die Finanzreserven der Kassen erneut und um vier Mrd. Euro sowie die Rücklagen des Gesundheitsfonds um weitere 2,4 Milliarden Euro abgeschmolzen werden. Damit wären laut BMG 14 der 17 Mrd. Euro gedeckt, das Delta würde dann durch Effizienzsteigerungen gedeckt werden.
Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten: Der GKV-Spitzenverband (SpiBu) sprach lediglich von einer finanziellen Atempause und warnte vor dem Risiko durch das zwangsweise Herunterfahren der Finanzreserven der Krankenkassen. Die Maßnahmen wurden inzwischen im Referentenentwurf des GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) konkretisiert. Eine Zusammenfassung finden Sie im Klappentext.
Neue Berechnungen ergeben: Defizit in 2023 könnte auf 25 Mrd. Euro steigen
Das Institut für Gesundheitsökonomik (IfG) errechnete ein mögliches Defizit der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) im kommenden Jahr von bis zu 25 Mrd. Euro – im Gegensatz zu den bisher genannten 17 Mrd. Euro. Der Krieg in der Ukraine und die Folgen für Arztpraxen und Krankenhäuser seien in den vorigen Berechnungen nicht berücksichtigt. Die Inflation treibe die Kosten zusätzlich und wirke sich über den Arbeitsmarkt ebenfalls auf die Einnahmenseite der Krankenkassen aus.
Noch vor der Bundestagswahl verabschiedeten die damaligen Regierungsparteien eine Pflegereform. Das Ziel: Mehr Personal, höhere Gehälter in der Altenpflege und finanzielle Entlastungen für die Heimbewohner. Das Ergebnis: Hochrechnungen zu Folge sind im ersten Quartal 2022 Kosten in Höhe von 822 Millionen Euro angefallen. Für das Gesamtjahr dürften sich die Ausgaben somit zusätzlich auf rund 3,3 Milliarden Euro belaufen. Das Bundesministerium für Gesundheit hingegen hatte mit Mehrausgaben in Höhe von 2,6 Milliarden Euro gerechnet. Trotz des Bundeszuschusses von 1,2 Milliarden Euro wächst das Finanzierungsdefizit in der sozialen Pflegeversicherung derzeit stetig weiter an.
GKV-Spitzenverband bewertet Pilotphase zur elektronischen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (eAU) als Erfolg – KBV hingegen nicht
Eine Million Datensätze wurden nach Angaben des GKV-Spitzenverbandes (SpiBu) im 1. Quartal 2022 bereits zwischen Kassen und Arbeitgebern ausgetauscht. Für Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des SpiBu, sei dies ein gutes Zeichen dafür, dass das Verfahren während der Pilotphase zwischen Arbeitgebenden und der Krankenkassen funktioniere. Allerdings handelt es sich hierbei nur um einen Bruchteil der insgesamt 70 bis 90 Millionen jährlich ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen. Die verpflichtende digitale Weiterleitung von AU-Daten an die Arbeitgeber wurde vom Gesetzgeber auf den 1. Januar 2023 festgelegt. Für Vertragsärzte heißt das, dass sie bis zum 31. Dezember 2022 neben der digitalen Übermittlung der AU-Daten an die Krankenkassen eine Papierbescheinigung ausstellen, die der Patient an seinen Arbeitgeber weiterleitet.
Laut Kassenärztlicher Bundesvereinigung sei die reibungslose Verknüpfung zwischen Vertragsärzteschaft und Krankenkassen der wichtigere Prozess – und hier fehle es weiterhin an Soft- und Hardware, die teilweise noch gar nicht ausgeliefert wurde. Mit dem gleichlautenden Argument wurde der Starttermin allerdings schon von 2021 auf den 1. Januar 2022 verschoben.
Anne-Kathrin Klemm neue Vorständin beim BKK Dachverband, Vertrag von Franz Knieps vorzeitig verlängert
Mitte Mai 2022 beschloss der Aufsichtsrat des BKK Dachverbands einstimmig, den Vertrag von Franz Knieps, Vorstand des Vereins, ab dem 1. Juli 2022 vorzeitig um weitere drei Jahre zu verlängern. Ebenfalls einstimmig bestellte der Aufsichtsrat die bisherige Stellvertreterin des Vorstands und Leiterin der Abteilung Politik und Kommunikation, Anne-Kathrin Klemm, zur Vorständin ab dem 1. Juli 2022 für die kommenden fünf Jahre.
Dietrich von Reyher und Ludger Hamers, Vorsitzender und alternierender Vorsitzender des Aufsichtsrates des BKK Dachverbands, zeigten sich erfreut, „dass Franz Knieps uns […] ab heute noch für weitere drei Jahre mit seiner umfassenden Expertise zur Verfügung steht. Gleichzeitig freuen wir uns ganz besonders, dass wir mit Anne-Kathrin Klemm eine ebenfalls ausgezeichnete Kennerin der Gesundheitspolitik und des Gesundheitswesens aus den eigenen Reihen für den nun zweiköpfigen Vorstand gewinnen konnten.“
Pharmazeutische Dienstleistungen
Länger versuchten sich der GKV-Spitzenverband (SpiBu) und der Deutsche Apothekerverband (DAV) zu den neuen pharmazeutischen Dienstleistungen zu einigen. Verkürzt dargestellt handelt es sich um fünf Dienstleistungen, welche Apotheken zusätzlich zu den bisherigen Leistungen anbieten und vor allem auch abrechnen dürfen. Die Schiedsstelle legte nun – aus GKV-Sicht völlig überhöht und nicht an vergleichbaren Leistungen orientiert – die Preise fest. So werden die „Erweiterte Medikationsberatung“ und die „Pharmazeutischen Betreuungen“ beispielsweise mit 90 Euro netto vergütet. Die Apotheken rechnen dabei nicht mit den Kassen, sondern direkt über einen Fonds, der über einen Zuschlag von 20 Cent je abgegebener Arzneimittelpackung gespeist wird, ab. Pro Jahr stehen so circa 150 Mio. Euro für die pharmazeutischen Dienstleistungen bereit. Der SpiBu lässt die Entscheidung der Schiedsstelle juristisch prüfen, da das Wirtschaftlichkeitsgebot aus dem Fokus geraten sein könnte.
Debeka BKK erhöht Zusatzbeitrag
Die Debeka Betriebskrankenkasse hat bereits zum 1. Juli 2022 ihren Zusatzbeitrag um 0,29 Prozent auf insgesamt 1,49 Prozent angehoben. Eine offizielle Erklärung gibt es seitens der Krankenkasse (Stand: 7. Juli 2022) bisher nicht.